Aszendent Blödmann
der Präsentation ins Büro zurückkam.«
»Ja und?«, fragte Kai unbeeindruckt.
»Da habe ich zwei und zwei zusammengezählt.«
»Und offenbar fünf dabei herausbekommen.«
Besonders kooperativ war er nicht gerade. Aber was wollte man von einem intriganten Scheusal auch erwarten.
»Wäre es nicht vielleicht möglich, dass Ihnen die CD aus den Händen gerutscht ist? So was kann schließlich jedem mal passieren. Und beim Sturz auf den Boden hat sie einen Kratzer abbekommen. War es nicht so?«, versuchte ich ihm eine goldene Brücke zu bauen, damit er, auch wenn er es nicht verdient hatte, ohne sein Gesicht zu verlieren aus der Sache rauskam.
»Nein.« Störrisch wie ein sizilianischer Maulesel schüttelte Kai den Kopf.
»Und Yvonnes Notiz haben Sie vor dem Fotoshooting nicht zufällig versehentlich verlegt?«
Kai lachte. Offenbar amüsierte er sich prächtig. »Wie’s scheint, haben Sie eine blühende Fantasie.«
O. K., zwecklos. So kamen wir nicht weiter. Am liebsten hätte ich ihn wie einen Apfelbaum geschüttelt, damit er endlich zur Besinnung kam. »Wir müssten dann noch die Formalitäten wegen der Versicherung klären«, sagte ich stattdessen frostig.
Kai wischte sich seine ölverschmierten Finger an einem Tuch ab. »Ich bin gleich hier fertig. Sie können ja schon mal rübergehen und Bea ein bisschen Gesellschaft leisten. Ihr Apfelkuchen ist ’ne echte Wucht.«
Was den Kuchen betraf, hatte Kai nicht zu viel versprochen. Aber auch Bea war ’ne Wucht. Gemeinsam mit den Kindern – es waren tatsächlich nur zwei, wie ich mich nun persönlich überzeugen durfte – setzten wir uns im Schatten eines großen Nussbaums auf eine Decke. Während wir ein bisschen Smalltalk machten, wurde Bea mir mit jeder Minute sympathischer. Wie hatte ein Arschloch wie Kai es bloß geschafft, sich eine solche Frau an Land zu ziehen? Sie war herzlich, erfrischend und herrlich unkompliziert. Statt Teller und Kuchengabeln gab’s einfach nur Servietten. Und auch sonst verzichtete sie gerne auf allen überflüssigen Firlefanz.
»Du hast doch nichts dagegen, wenn wir uns duzen, oder? Ich bin die Bea.«
»Ich heiße Melina. Kai und ich teilen uns ein Büro.«
»Ach, du bist das!«
Ja, ich. Fast bereute ich es, mich nicht als Versicherungsvertreterin oder Zeitschriftenverkäuferin ausgegeben zu haben. Diese Frau war so nett, dass ich mir insgeheim wünschte, dass sie auch mich mögen würde. Doch als Kais streitsüchtige Rivalin hatte ich diesbezüglich wohl schlechte Karten.
»Schön, dich endlich mal kennenzulernen.« Erneut blitzten Beas strahlendweiße Zähne auf. »Kai hat schon viel von dir erzählt.«
Worauf ich wetten konnte! Ich fragte mich, was für Horrorgeschichten Kai wohl beim Abendessen zum Besten gegeben hatte. Dass ich sein Auto ramponiert hatte, war mit Sicherheit nichts, womit ich bei seiner Familie Pluspunkte gesammelt hatte. Doch zum Glück setzte der Nachwuchs andere Prioritäten.
»Ist das die Frau mit dem Goldhamster?«, nuschelte Laurenz, den Mund voller Apfelkuchen, interessiert.
»Genau, ich bin die Frau mit dem Goldhamster«, bestätigte ich.
»Cool.«
Ich suchte nach Ähnlichkeiten zwischen Kai und dem Jungen. Zwei Augen, eine Nase, ein Mund – mehr Gemeinsamkeiten konnte ich beim besten Willen nicht feststellen. Die blonde volle Haarpracht hatte Laurenz von seiner Mutter geerbt. Beneidenswert. Während Retortenblondinen wie ich viel Zeit und Geld investieren mussten, um der Natur nachzuhelfen, hatte es der liebe Gott mit Bea und ihrem Filius gut gemeint. Lisa hingegen würde später auch zur Flasche greifen müssen – ich hoffte, sie würde sich für das Haarfärbemittel und nicht für den Alkohol entscheiden.
»Mama, wann rufen wir denn Papa an?«
»Heute Abend«, versprach Bea ihrem Sohn. »Und jetzt ab mit euch! Geht wieder spielen.«
»Ach, ist Kai gar nicht der Vater von Laurenz?«, fragte ich, als der Junge außer Hörweite war.
Bea riss überrascht die Augen auf. »Natürlich nicht.«
»Und was ist mit Lisa?« Nun war ich schon etwas vorsichtiger geworden. Unter Umständen war Lisa ja Kais, aber nicht Beas Tochter. Patchworkfamilien waren heutzutage schließlich schwer im Kommen. Jeder brachte mit, was ihm von der letzten Beziehung geblieben war: Töpfe, Gläser, Möbel, Haustiere und eine mehr oder weniger große Anzahl an Kindern und Nachnamen. Für Außenstehende war es oftmals etwas schwierig, das komplizierte Beziehungsgeflecht zu durchschauen. Aber solange alle
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