Aszendent Blödmann
Beteiligten selbst da durchblickten, war so eine Patchworkfamilie sicher eine feine Sache.
»Wie kommst du darauf, dass Lisa und Laurenz von Kai sind?« Bea schlug sich vor die Stirn. »Ach, du dachtest … du hast wirklich gedacht, Kai und ich?« Sie tat, als wollte sie sich ausschütten vor Lachen. Erleichtert stimmte ich ein. Zumindest, was seinen Familienstand betraf, hatte Kai mich nicht angelogen. »Kai ist der beste Freund meines Mannes«, setzte Bea zu einer Erklärung an. »Martin ist Ingenieur, seine Firma hat ihn für ein Großprojekt ein halbes Jahr ins Ausland geschickt. Während er weg ist, greift Kai uns bei allem, was so anfällt, ein bisschen unter die Arme, er erledigt Reparaturen, wartet das Auto, spielt mit Laurenz Fußball und schleppt für mich Getränkekästen.«
Die Frau wurde mir immer sympathischer. Offenbar hatte sie sich von Kai auch keinen Sodastreamer aufschwatzen lassen. Bea machte eine kleine Pause und sah mich erwartungsvoll an.
»Das ist wirklich nett von Kai«, beeilte ich mich zu versichern, obwohl ich mir nur schwer vorstellen konnte, dass Kai all diese Dinge – mit Ausnahme des Fußballspielens vielleicht – aus reiner Nettigkeit und ganz ohne Berechnung tat. Menschen von Kais Schlag machten nichts einfach nur so, vermutlich nicht einmal pupsen.
»Und ich revanchiere mich gelegentlich, indem ich Kai den Haushalt auf Vordermann bringe und dafür sorge, dass er wenigstens ab und an etwas Vernünftiges zu essen bekommt«, bestätigte Bea kurz darauf meinen Verdacht. »Apropos essen. Bist du hungrig? Im Kühlschrank steht noch eine Portion Schweinebraten mit Knödeln. Wenn du möchtest, mache ich die gerne für dich warm.«
Dankend lehnte ich ab. Nach einem riesigen Stück Apfelkuchen war ich alles, aber ganz bestimmt nicht hungrig. Mein Wissensdurst war hingegen noch längst nicht gestillt. »Hat Kai denn niemanden … also, hat Kai denn keine Freundin, die ihm was kochen könnte?«
»Kai ist Single. Auch wenn ich das ehrlich gesagt nicht verstehen kann. Er ist nett, intelligent, sportlich, kinderlieb, darüber hinaus sieht er auch noch fantastisch aus. Oder was meinst du? Findest du nicht, dass er gut aussieht?«
Oh Mann, was sollte ich darauf bloß antworten? »Na ja, der Glöckner von Notre Dame ist er nicht gerade«, versuchte ich, mich mit einem kleinen Scherz aus der Affäre zu ziehen.
Bea musterte mich interessiert. »Du bist nicht zufällig solo?«
Hastig schüttelte ich den Kopf.
»Schade.« Bea sah ehrlich enttäuscht aus. »Glaub mir, dir entgeht etwas.«
»Davon bin ich überzeugt.« Und das war noch nicht mal gelogen. Allerdings konnte ich auf Enttäuschungen, Tränen und schlaflose Nächte sehr gut verzichten.
»Kai ist nicht nur ein Spitzentyp, sondern wird bestimmt auch mal ein wunderbarer Familienvater. Die Kids lieben ihn. Ein Windelwechsel geht ihm genauso leicht von der Hand wie ein Ölwechsel.«
Redeten wir von dem gleichen Mann? Der Mann, der Menschen benutzte wie Taschentücher und sie einfach wegwarf, wenn er sie nicht mehr brauchte? Der Mann, den Bea mir gerade beschrieb, hatte mit dem Kai, den ich kannte, rein gar nichts gemeinsam.
»Und wo ist der Haken?« Die unverheirateten Männer, die ich von meiner Mutter regelmäßig in den höchsten Tönen angepriesen bekam, entpuppten sich bei näherer Betrachtung in der Regel als verklemmt, neurotisch, cholerisch oder anderweitig gestört.
»Einen kleinen Haken gibt es tatsächlich«, gab Bea zu, während sie ihre vollen blonden Haare zu einem Zopf zusammenband. »Die Frau an Kais Seite sollte sich besser gleich daran gewöhnen, dass sie ihn nie ganz für sich allein haben wird.«
Aha, jetzt kamen die Weibergeschichten ins Spiel. Für meinen Geschmack war das weitaus mehr als ein kleiner Haken, aber vielleicht hatte Bea eine andere Auffassung von Treue. Wie ich ihrer Erzählung entnommen hatte, hielt ihr Mann sich oft monatelang im Ausland auf. Möglicherweise führte das Paar eine offene Ehe, da war so eine kleine Affäre in Beas Augen sicherlich keine allzu große Sache.
»Du weißt ja selbst, was für ein Autonarr er ist«, fuhr Bea nun zu meiner Überraschung fort. »In jeder freien Minute bastelt er an seinen geliebten Oldtimern herum. Und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Total plemplem.« Bea verlieh ihren Worten durch die entsprechende Geste noch mehr Nachdruck. »Na ja, aber so sind sie eben, die Männer. Irgendeine Macke haben sie doch alle. Bei meinem setzt der Verstand aus, sobald
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