Aszendent Blödmann
Gewohnheit …
Kais Frau, Freundin, Lebensgefährtin oder was auch immer nahm es mit Humor, dass mir Kai offenbar tot lieber als lebendig war. Sie lachte herzhaft, wobei eine Reihe strahlend weißer Zähne zum Vorschein kam. Sie gehörte zu den Menschen, die man gleich auf den ersten Blick ins Herz schloss. Ob man nun wollte oder nicht. Bevor wir weiterreden konnten, war aus dem Inneren des Hauses ohrenbetäubendes Geschrei zu vernehmen.
»Gib mir sofort meine Puppe wieder! Das sag ich Mama.«
Bei der Lautstärke hatte sich das wohl schon von selbst erledigt. Während ich vor Schreck zusammenfuhr, zuckte die Mutter der beiden Streithähne kaum mit der Wimper.
»Und Sie sind sicher, dass Sie nur zwei Kinder haben?«, fragte ich vorsichtig und trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Oh, Sie meinen wegen des Geschreis? Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Die zwei machen Lärm wie vier und Unordnung für zehn. Trotzdem bin ich mir sicher, dass sie nur zu zweit sind. Ich zähle jeden Abend nach. Nur so kann ich kontrollieren, dass sie es nicht geschafft haben, sich gegenseitig umzubringen.«
So wie es klang, arbeiteten die beiden nach Leibeskräften daran. Schon wieder war von drinnen ein wütendes Aufheulen zu hören.
»Kinder, seid friedlich!« Entschuldigend zuckte die Blondine die Schultern. »Ich kann im Augenblick leider nicht weg. Sie sehen ja selbst, was hier los ist. Gehen Sie einfach den Kiesweg entlang, hinten durch den Garten durch, die Werkstatt ist gar nicht zu verfehlen.«
Die Werkstatt fand ich auf Anhieb, von Kai hingegen fehlte jede Spur. Dafür entdeckte ich ein Paar Turnschuhe, die unter seiner Heckflosse hervorlugten.
Ich hüstelte, um den Schrauber unter dem Auto – ich nahm an, dass es sich dabei um Kai handelte – auf mich aufmerksam zu machen.
Kais Kopf tauchte kurz unter der Heckflosse auf, war aber dann sogleich wieder verschwunden. »Ach, Sie.« Kais Begeisterung hielt sich offenbar in Grenzen. »Wie kommen Sie denn hier rein?«
»Durch das Gartentor«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Hat Bea Sie hergeschickt?«
Ich nickte. Zumindest nahm ich an, dass es Bea gewesen war, aber wer konnte das schon so genau wissen. Vielleicht sprang ja noch eine ganze Schar Playboy Bunnys in Kais Haus herum.
»Sie sprechen wohl auch nicht mit jedem?«, fragte Kai ungehalten.
Oh richtig, er konnte mich ja unter dem Auto gar nicht sehen. »Ich habe genickt.«
»Ich nehme an, Sie wollen sich entschuldigen?«
»Sagen wir mal so: Ich bin gekommen, um einen Waffenstillstand auszuhandeln.«
»Waffenstillstand? Klingt toll. Bis gestern habe ich noch nicht einmal gewusst, dass wir uns im Krieg befinden. Wie aus heiterem Himmel hat mich plötzlich ein Panzer gerammt.«
Mit einer Art Skateboard rollte Kai endlich unter dem Auto hervor. Seine braunen Augen musterten mich anklagend. Er trug eine Baseballkappe, die er sich verkehrt herum auf den Kopf gesetzt hatte, und sein Gesicht war über und über mit schwarzer Schmiere bedeckt. Genau wie sein Blaumann, in dem er irgendwie verdammt sexy aussah.
Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Schluss jetzt! Bei dem Zusammenstoß vom Vortag hatte offenbar nicht nur mein Auto Schaden genommen.
Aus Angst, Kai könnte ahnen, was sich hinter meiner Stirn abspielte, zeigte ich schnell auf seine Heckflosse. »Ist es sehr schlimm?«
»Geht so. Wenigstens haben Sie beide Male die gleiche Stelle erwischt.« Er stand auf und beförderte mit einem geübten Wurf einen Schraubenschlüssel in die Werkzeugkiste zurück. Dann stemmte er die Hände in die Hüften. »Würden Sie mir jetzt bitte mal erklären, wie das passieren konnte?«
»Ähm … ehrlich gesagt weiß ich das selbst nicht so genau.« Irgendetwas lief hier völlig verkehrt. Auf einmal war ich diejenige, die sich in der Defensive befand und sich rechtfertigen musste. »Nach der Präsentation war ich etwas durcheinander. Da muss ich wohl den Vorwärts- und den Rückwärtsgang verwechselt haben.«
»Zweimal hintereinander?« Kai guckte skeptisch.
»Na schön, ich war sehr durcheinander. Außerdem hatte ich eine ziemliche Wut auf Sie. Schließlich haben Sie mir den Schlamassel mit der beschädigten CD eingebrockt.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Na hören Sie mal!« In meinem Inneren begann es erneut zu brodeln. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht pampig oder gar handgreiflich zu werden. »Die Situation war ja nun wirklich mehr als eindeutig. Sie saßen an meinem Computer, als ich vor
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