Aszendent zauberhaft
und selbst die letzten Vorkehrungen treffen. Das heißt, falls etwas Unvorhergesehenes geschehen sollte, bleibt Twilights nicht auf der Rechnung sitzen. Aber ich muss sie dafür mit nach Hassocks nehmen, zur Unterzeichnung einiger Dokumente. Das geht doch in Ordnung, oder?«
»Wie? Also, ja natürlich. Bestattungsvorsorge. Enorm gute Idee. Ist Ihr Besuch denn schon fort, Essie?«
»Weiß ich nicht und interessiert mich auch nicht«, antwortete Essie. »Wahrscheinlich nicht. Vielleicht können Sie ihn nach draußen geleiten. Und bitte lassen Sie weder ihn noch meine Tochter noch sonst jemanden aus meiner Familie jemals wieder ins Haus.«
»Ach du liebe Güte«, flötete Joy. »Immer Ärger mit der Verwandtschaft, wie? Nun, ganz wie Sie wünschen, Mrs Rivers. Lassen Sie mich nur machen. Nun mal los, und unterzeichnen Sie Ihre Dokumente. Mr Motion wird ja sicher gut auf Sie Acht geben.«
»Das werde ich«, sagte Slo und führte Essie behutsam die Treppe hinab und auf den Hof in den gleißenden Sonnenschein. »Das werde ich.«
15. Kapitel
Z ehn Minuten später, nachdem sie Slo in allen Einzelheiten der grässlichen Begegnung ihr Herz ausgeschüttet hatte, begann Essie endlich sich auf dem Beifahrersitz des altertümlichen Daimler zu entspannen.
»Den hätt ich in die Finger kriegen sollen, Schätzchen«, sagte Slo grimmig, während sie auf den engen, trockenen, staubigen Landstraßen durch Berkshire brausten. »Dem jungen Knilch hätt ich gern mal Manieren beigebracht, dass es sich gewaschen hat!«
»Ich würde nicht zulassen, dass du dir an ihm die Hände schmutzig machst, aber trotzdem danke für das Angebot. Du bist ein wunderbarer Freund«, sie sah ihn von der Seite her an »und ein wunderbarer Schwindler. Wie in aller Welt hast du dir das mit der Bestattungsvorsorge so schnell aus dem Ärmel geschüttelt?«
»Keine Ahnung«, antwortete Slo bescheiden, »kam mir einfach so in den Sinn. Mir war klar, dass ich für die Erlaubnis, dich zu entführen, irgendeinen Vorwand bräuchte, auf den die enorme Joy anspringt. Und Geld sparen zieht bei ihr ja immer, nicht wahr?«
So war es. Essie quittierte seine rasche Auffassungsgabe mit einem Nicken. Sie seufzte bei dem Gedanken an den grässlichen Patrick. Es war schon traurig, wie sehr sie ihn verabscheute. Ja, er widerte sie geradezu an. Wirklich traurig.
Und eigentlich schlimm, dass sie Phoebe und Rocky weitaus lieber mochte und mehr achtete als ihre eigenen Kinder.
»Wo fahren wir eigentlich hin?« Sie drehte den Kopf und genoss es, wie der warme Wind durch das offene Fenster hereinwehte, ihr Haar zu wilden Locken zauste und die Enden ihrer roten Tücher wie Fähnchen um ihr Gesicht flattern ließ.
»Nirgendwohin oder irgendwohin – ich dachte nur, wir fahren am besten erst mal ein Weilchen herum, bis du dich ein bisschen beruhigt hast. Gibt es einen Ort, wo du gerne hinmöchtest?«
»Irgendwohin, wo ich einen schönen großen Drink bekommen kann, oder mehrere. Ich bin so außer mir, Slo – aber vor allem wütend. Wirklich unheimlich wütend.«
»Das wundert mich nicht, Schätzchen. Nachdem du mir schon erzählt hattest, wie deine Kinder dich aus deinem Haus gedrängt haben, hätte ich ja gedacht, tiefer könnten sie nicht mehr sinken. Aber was dein Sohn da heute früh versucht hat, war ja wirklich eine bodenlos miese Tour. Allerdings«, er warf ihr einen Seitenblick zu, »siehst du mit den roten Wangen richtig hübsch aus. Passt zu deiner Kleidung. Du bist meine Lady in Red – nein, keine Sorge, Schätzchen, ich werde nicht singen. Unsere Constance sagt immer, meine Stimme könnte Tote aufwecken, wenn ich ›The Old Rugged Cross‹ anstimme.«
Essie gluckste. »Und das wär wirklich schlecht fürs Geschäft, nicht wahr?«
»So ist’s richtig«, erwiderte Slo lachend. »Immer schön den Sinn für Humor behalten, mein Schätzchen. Der lässt dich niemals im Stich.«
»Im Gegensatz zu anderen Menschen.«
» Manchen Menschen.« Slo versuchte sich eine Zigarette anzuzünden. Es war ein kniffeliges Manöver, da er ziemlich schnell fuhr und der Luftzug im Wagen die Flamme seines
Feuerzeugs immer wieder ausblies. Mit verächtlichem Schnauben gab er es auf und warf die Zigarette samt Feuerzeug in das walnussholzverkleidete Handschuhfach. »Nicht alle Menschen sind schlecht, Essie, Schätzchen. Die meisten sind gut. Gott sei Dank.«
Essie lehnte den Kopf an den weichen abgenutzten Ledersitz des Daimlers. Sie hatten die Landstraßen hinter sich gelassen und
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