@ E.R.O.S.
vielleicht von einer Frau. Bei ein paar Opfern kam es zu schweren Hautverstümmelungen. Das Unheimliche daran ist, daß in allen Fällen Samenspuren gefunden und analysiert wurden, und bei sieben Opfern hat man Samen von mindestens vier verschiedenen Männern gefunden. Manchmal in der Nähe der Opfer, manchmal in der Vagina. Sie warten jetzt auf die DNS-Tests. Zweifellos, um sie mit meiner zu vergleichen.«
Die Haare auf meinen Unterarmen richten sich auf. »Du willst sagen, daß jedes Opfer von vier Männern vergewaltigt wurde?«
»Nein, nein. Insgesamt vier Männer bei allen sieben Fällen. Obwohl man in zwei Opfern zwei verschiedene Samenspuren entdeckt hat.« Miles sieht Drewe an und schüttelt den Kopf. »Ich weiß, was du denkst – eine von einem Freund oder Ehemann, die andere vom Mörder, nicht wahr? Falsch. Beide Proben in den Frauen waren das Resultat von postmortalem Geschlechtsverkehr.«
»Großer Gott«, flüstere ich.
Miles nippt an seinem Kaffee. »Die Crux mit den Hinweisen am Tatort liegt darin, daß die Leute von der Verhaltensforschung im Prinzip so einen Mord furchtbar standardmäßig angehen. Sie haben Checklisten, die die Cops ausfüllen müssen. Zustand der Leiche. Gewalteinwirkung oder nicht. Art der Waffe. Todesursache. Verhalten nach der Straftat. Antemortale oder postmortale Vergewaltigung? Penetration oder nur Masturbation? All diese Punkte führen zu wahnsinnig unterschiedlichen Profilen.« Miles klingt aufgrund der Mängel des Systems fast traurig. »Jemand, der das System kennt, kann an jedem Tatort ein paar zusätzliche Spuren zurücklassen und so das Bild verzerren. Und wenn er genug hinzufügt – oder entfernt –, gibt es überhaupt kein Bild.«
»Wie die radikal voneinander abweichenden Kopfverletzungen«,sagt Drewe. Sie zieht mit dem Zeigefinger an einem ihrer Mundwinkel. »Was ist mit verdächtigen Ärzten?«
Miles sieht seine Unterlagen durch. »Das derzeitige Täterprofil der Abteilung schließt Fleischer ein, Zahnärzte, allgemeine Ärzte, Krankenpfleger, Präparatoren, Veterinäre, sogar Leute, die in Schlachthäusern gearbeitet haben. Sie vermuten, daß jemand auf neue und aufregende Weise seinen Horizont erweitern will – natürlich mit Hilfe.«
Drewe verzieht angewidert den Mund. »Ist jemand der Auffassung, daß nur ein Mann für die Verbrechen verantwortlich sein könnte?«
»Ja, aber das setzt eine Person mit erstaunlichen Fähigkeiten voraus. Sie müßte nicht nur medizinische Erfahrung und Zugang zu Dingen wie Blut und Samen haben, sondern auch detaillierte Kenntnisse über das Vorgehen von Polizeibehörden, Kriminaltechnik, Schlösser, Sicherheitssysteme, ganz zu schweigen von Psychologie und Computern. Es ist schwer, sich einen Menschen vorzustellen – besonders einen Serienmörder –, der solche Fähigkeiten besitzt.«
»Warum? War Ted Bundy nicht auch ein wirklich cleverer Typ?«
»Eigentlich nicht. Ich habe eine Nexis-Abfrage nach Serienmördern vorgenommen und eine Menge gelernt. Bundy sieht im Vergleich mit dem Durchschnitt seiner Gruppe – Serienmörder – ganz clever aus, aber wenn man ihn an der allgemeinen Bevölkerung mißt, war er wirklich nichts Besonderes. Wir sprechen von einem Burschen, der Frauen ausgrub, die er Wochen zuvor ermordet hatte, um Geschlechtsverkehr mit ihren Leichen zu vollziehen. Er bekam eine Menge Presse, weil er halbwegs passabel aussah und Frauen dazu bringen konnte, ihm zu vertrauen. In Wahrheit sind die meisten Serienmörder genetischer Schutt.«
»Brahma nicht«, sage ich. »Du hast doch ein paar von seinen Sachen gelesen, oder? Er ist verdammt gebildet. Und er kann Unsicherheit ausnutzen wie kein zweiter, der mir je untergekommen ist.«
Drewe sieht Miles an. »Bist du seiner Meinung?«
»Ja. Aber ich glaube nicht, daß er Arzt ist. Dafür sind seine Computerkenntnisse zu groß. Ein paar Ärzte kennen sich mit Computern aus, aber nicht in dem Ausmaß, das ich hier sehe.«
»Was glaubst du also?« frage ich. »Daß er ein Hacker ist?«
»Nein. Ich glaube, er könnte ein Systemprogrammierer sein.«
Das läßt mich verstummen.
»Was ist das?« fragt Drewe.
»Was Miles früher war. Am MIT. Leute, die die Medien ›Hacker‹ nennen, kennen sich sehr gut mit Betriebssystemen wie UNIX und DOS und VMS aus, mit ihren Marotten und Schwächen. Aber Systemprogrammierer können Betriebssysteme bauen . Sie sind Superkodierer. Man nennt das Programmieren auf blankem Metall. Sie sind die Halbgötter der
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