@ E.R.O.S.
das eine Rolle?« frage ich, als mir die Realität von Karins Tod wieder bewußt wird.
»Natürlich. Hat der Täter einfach mit einem stumpfen Löffel rumgemacht, oder wußte er, was er tat?«
»Ich weiß nicht, welches Werkzeug benutzt wurde«, sagt Miles. »Den eigentlichen Autopsiebericht habe ich nicht gesehen, nur ein FBI-Memo. Darin stand, daß die Drüse durch ein Loch unter der Oberlippe der Wheat entfernt wurde. Als hätte Brahma durch die Nebenhöhlen und ins Gehirn hinauf gestochen.«
»Großer Gott«, murmele ich.
»Wie groß war das Loch?« fragt Drewe.
Miles sieht in seinen Unterlagen nach. »Sieben Millimeter Durchmesser. Verdammt. Das ist ziemlich klein, nicht wahr?«
Drewe lächelt zufrieden. »Das ist es«, sagt sie.
»Das ist was?« fragt Miles.
»All diese traumatischen Kopfverletzungen sollen die wahre Absicht des Mörders verbergen. Aber Karin Wheats Kopf hätte man niemals finden sollen. Ihre Verletzung verrät uns die Wahrheit.«
»Was meinst du? Welche Wahrheit?«
»Sag mir, in welchem Winkel der Pistolenschuß abgefeuert wurde, mit dem die Frau in Nashville getötet wurde.«
Miles schlägt wieder nach. »Er wurde in einem aufwärts gerichteten Winkel in ihren Nacken abgegeben, in der Nähe des ersten Halswirbels.«
Drewe nickt und lächelt erneut. »Hast du schon mal jemanden gesehen, der mit einem Klauenhammer angegriffen wurde, Miles?«
Er verzieht das Gesicht. »Nein. Du?«
»Ja. Zu meiner Zeit als Assistenzärztin. Damit schlägt man einem große Löcher durch den Schädel, und das Gehirn wird durch die Löcher rausgequetscht wie Zahnpasta aus einer Tube.«
Miles und ich sehen uns in verwirrtem Entsetzen an.
»Dieses Loch von sieben Millimetern unter Karin Wheats Oberlippe«, sagt Drewe, »führte das bis zu ihrem Gehirn hinauf? Ein Neurochirurg würde das den sublabialen transsphenoidalen Weg nennen.«
»Was?« fragt Miles.
»Das ist eine übliche Methode zur Entfernung von Hypophysentumoren. In neurologischer Hinsicht befindet die Hypophyse sich nicht gerade in der Nähe der Zirbeldrüse, doch bei einer Leiche könnte man sie wahrscheinlich einfach durchstechen und so an sein Ziel gelangen.«
»Du meinst, der Mörder könnte Arzt sein?« frage ich.
»Ich meine, ein Arzt hat es getan. Die Pflöcke durch dieAugen? Ein Chirurg könnte durch den Sehforamen gehen – wo der Sehnerv durch den Schädel ins Gehirn verläuft –, zur Mitte schwenken und sich direkt zur Zirbeldrüse vorarbeiten. Bei dem Klauenhammer und dem Absturz könnte er praktisch hineingreifen und die Drüse rausziehen. Die Schußverletzung in Nashville? Er geht durch den Foramen magnum, die große Öffnung unten im Schädel, und ins Gehirn. Die traumatisch schweren Verletzungen verwischen seine Spuren.«
»Die Wunde im Schädel der Wheat war ziemlich klein«, sagt Miles. »Wie holt man die Drüse durch ein so kleines Loch heraus? Könnte das der Grund dafür sein, daß er manchmal nur einen Teil der Zirbeldrüse entfernt hat?«
»Die Zirbeldrüse hat etwa Erbsengröße«, erklärt Drewe. »Das Problem besteht nicht darin, sie herauszuholen, sondern sie überhaupt zu finden.«
»Was ist mit einer biegsamen Sonde mit einer Fiberglaskamera und einem Schneidewerkzeug?« fragt Miles.
»Du meinst ein Endoskop. Ich bezweifle, daß die in der Neurochirurgie eingesetzt werden. Aber bei einer Leiche könnte man wohl jedes beliebige Endoskop einsetzen. Ich nehme an, das FBI hält unter Ärzten nach Verdächtigen Ausschau?«
Miles nickt. »Aber Ärzte sind nur Teil einer viel größeren Gruppe an Verdächtigen. Jede örtliche Polizeibehörde hat eine andere Theorie. Die Polizei von Kalifornien geht von Ritualmorden aus. Sie haben in letzter Zeit einige gesehen, bei denen bestimmte Körperteile entfernt wurden. Keine Zirbeldrüse, aber Nebennieren, Eierstöcke, alles mögliche.«
»Dr. Lenz schließt Ritualmorde praktisch aus«, erkläre ich ihnen. »Bei fast allen davon liege ein ziemlich konventionelles Motiv vor.«
»Baxter hat diese Morde offiziell als Straftaten mit herkömmlichem sexuellem Hintergrund klassifiziert«, sagt Miles, »falls es so etwas überhaupt gibt. Alle ermordeten Frauen wurden vergewaltigt, als sie tot waren.«
Drewe atmet kurz, aber vernehmlich ein.
Er wirft wieder einen Blick auf seine Ausdrucke. »Es liegt eine Tonne forensischer Beweise vor«, fährt er dann fort. »Bei einigen Fällen Bißspuren, bei anderen nicht. Die Spuren stimmen nicht überein. In einem Fall stammen sie
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