@ E.R.O.S.
Sommerkleid bis zu den Hüften hochzieht. »Na? Da ist es. Darum geht es dir doch einzig und allein, oder?«
Sie trägt ein himmelblaues Höschen, doch es ist durchsichtig, und das schwarze Gewirr darunter ist deutlich zu sehen. Unwillkürlich fixieren meine Augen die Stelle, gewissermaßen den Brennpunkt von 3 Millionen Jahren menschlicher Entwicklung. Dann fällt der fliederfarbene Schleier, und sie springt auf und fuchtelt mit den Händen durch die Luft.
»An was anderes denken Männer bei mir nie!« schreit sieund wendet sich wütend ab. »Weil ich nicht das Mädchen bin, das man heiratet, nicht wahr? Meine Vergangenheit ist einfach zu viel. Besonders für jemanden wie Patrick. Den netten, hart arbeitenden, reichen, impotenten Patrick.«
Mein Mund klafft erneut auf.
»Oh, Quickies in der Küche haben wir schon längst hinter uns gelassen«, sagt sie und dreht sich wieder um. »Als Patricks Besessenheit überhand nahm, verweigerte sein Schwanz einfach den Dienst. In den letzten beiden Monaten haben wir zweimal miteinander geschlafen. Wenn man das so nennen kann. Beide Male kam er um Mitternacht betrunken nach Hause, stieg auf mich und fing zu stoßen an, bevor ich noch ganz wach war. Hätte ich nicht gewußt, was ihn in den Wahnsinn treibt, hätte ich ihm mit dem Telefon den Kopf eingeschlagen. Aber weißt du, was ich getan habe? Ich habe ihm gesagt, daß ich ihn liebe, und um mehr gebeten. Und sobald ich das tat, war es vorbei. Konnte er nicht mehr fertig werden. So eine Gemeinheit hat er nicht in sich.« Sie lehnt sich zurück und berührt ihr lädiertes Auge, und mir wird klar, daß sie den Tränen nahe ist. »Und weißt du was?«
»Was?«
»Er hat etwas Besseres als mich verdient.«
»Das stimmt nicht, Erin.«
»Dann zumindest etwas Besseres als das, was ich ihm gegeben habe. Es war töricht von mir, ihn versprechen zu lassen, nie zu fragen, wer der Vater ist.« Sie lacht. »Ich dachte wirklich, er sei Dr. Pretorius.«
Ich kam nicht mehr ganz mit. »Wer ist das? Irgend jemand aus New York?«
»Nein, du Dummkopf. Gary Grant war Dr. Pretorius.«
»Was?«
»Das ist ein Film. Ich dachte, du würdest jeden Film kennen, der je gedreht worden ist. Gary Grant spielt diesen wunderbaren Arzt, der eine Frau heiratet, die von einem anderen Mann schwanger ist. Und es funktioniert.«
»Oh.«
»Ich war wirklich so dumm zu glauben, ein Gary-Grant-Film könne Wirklichkeit werden. Aber Männer sind nun mal nicht so gepolt. Sie werden mit so etwas nicht fertig, und ich hätte es wissen müssen. Bei Gott, ich weiß doch auch sonst alles über sie.«
»Erin ...«
»Unterbrich mich jetzt nicht. Vielleicht habe ich es ja gewußt. Aber ich zwang Patrick trotzdem, mir zu versprechen, nicht zu fragen. Weißt du, warum? Um Drewe zu schützen. Ich wollte genauso wenig wie du, daß Drewes Illusionen zerschlagen werden. Und wenn Patrick von unserem Verhältnis wüßte – und von Holly –, würde Drewe irgendwann auch alles erfahren. Es würde in der Hitze irgendeines Familienstreits hochkommen.«
»Genau da sind wir jetzt trotzdem angelangt, oder?« stelle ich klar. »Abgesehen davon, daß du jetzt kurz vorm Explodieren stehst.«
Sie schüttelt langsam den Kopf, und ich spüre, daß sich ihr Zorn in Traurigkeit verwandelt hat. »Glaubst du an die Sünde, Harper?« fragt sie mit einer Stimme, in der nicht mehr die geringste Feindseligkeit liegt.
Endlich verstehe ich ihre seltsame Heftigkeit. Sie ist endgültig übergeschnappt. Sie wurde wiedergeboren, erlöst, oder wie auch immer man das wilde Greifen nach Strohhalmen nennt, das auftritt, wenn Menschen, die ihrem Leben einen solch irreparablen Schaden zugefügt haben, in der Hoffnung auf einen Neubeginn und im trügerischen Streben danach, reinen Tisch zu machen, dem Wahnsinn verfallen.
»Ich weiß, daß du nicht gläubig bist«, sagt sie ruhig. »Davon spreche ich nicht. Ich spreche von einer Sünde gegen sich selbst. Gegen Menschen, die man liebt. Menschen, die einem vertrauen. Verstehst du, was ich meine?«
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Als Erin fortfährt, ist ihre Stimme so leise, daß ich sie wie einen Schrei höre.
»Woran glaubst du, Harper?«
Aus dem Mund einer verstörten Frau kommt die Frage, dieich zu beantworten versucht habe, seit ich eigenständig denken konnte. Eine Frage, die Brahma mir erst gestern gestellt hat. Und ich bin der Antwort heute nicht näher gekommen als damals, als ich dreizehn Jahre alt war.
»Ich glaube wahrscheinlich an ...
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