@ E.R.O.S.
sagt Overstreet.
Mayeux tut wie geheißen.
»Also, mein Sohn. Was haben Sie gesagt, wer ist gleich noch Ihr Schwiegervater?«
»Das habe ich Ihnen noch nicht gesagt.«
»Dann sagen Sie es mir jetzt, verdammt noch mal.«
»Bob Anderson.«
Overstreet sieht mich an, ohne zu blinzeln, ein langer, abschätzender Blick. Den Gouverneur anzurufen, um im Namen meines Schwiegervaters meinen Arsch zu retten, wäre das Letzte, was ich tun würde, doch das weiß er nicht.
»Kennen Sie diesen Anderson?« fragt Mayeux mit verkniffener Stimme.
»Bob Anderson aus Yazoo City?« fragt Overstreet, während sein Blick sich in meine Augen bohrt.
»Genau der.«
»Scheiße.«
»Was hat das zu bedeuten?« fragt Mayeux, während er versucht, den Wagen auf der Straße zu halten und mich gleichzeitig zu beobachten. »He?«
Overstreet bläst Luft aus dicken Backen und läßt sich mit der Antwort Zeit. »Daß du mich vielleicht überredet hast, mich auf ganz gewaltigen Ärger einzulassen, Mike.«
Mayeux stöhnt wütend auf. »Verdammt noch mal, was soll das heißen? Willst du damit sagen, daß hier oben ein paar Leute über dem Gesetz stehen?«
»Nein.« Overstreet hebt den Unterarm hoch und rutscht wieder hinter das Lenkrad. »Aber einigen Leuten tritt mannicht auf die Zehen, wenn es nicht unbedingt sein muß. Und sag mir jetzt ja nicht, daß es in New Orleans anders ist, denn da ist es nur noch schlimmer .«
»Scheiße«, flucht Mayeux und schlägt mit der geöffneten Handfläche auf das Armaturenbrett. »Scheiße! Ich bin es leid, daß dieses Arschloch von allen möglichen Leuten geschützt wird! Er behindert die Justizbehörden. Ich kann es beweisen.«
»Er behindert sie in Louisiana, aber nicht hier.«
»Das ist ein Fall der Bundesbehörden! Er hat einem vom FBI gesuchten Flüchtigen in Mississippi Unterschlupf geboten. Du hältst Cole für das FBI fest. Dein Chef hat sein Okay für die Verhaftung gegeben! «
Overstreets Stimme klingt noch einschläfernder als zuvor. »Das ist zum größten Teil absolute Scheiße, und das weißt du selbst, Mike. Ich bin außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs, und wenn es nach dir geht, soll das FBI nicht erfahren, daß wir diesen Burschen haben.«
»Werde ich vom Bund oder vom Staat einer Straftat beschuldigt?« frage ich.
»Verdammt noch mal, halten Sie die Klappe«, sagt Mayeux. »Ich übernehme die volle Verantwortung, Jim. Du willst ihn doch nicht einfach laufen lassen, oder?«
»Nein. Aber in dem Augenblick, in dem wir das Revier betreten, sage ich dem Chief, wie die Dinge stehen. Wenn er Cole gehen lassen will, kann er gehen.«
Die restliche Fahrt verläuft in frostigem Schweigen. Ich wünschte, sie ließen die Fenster herunter, damit ich den Regengeruch der Luft riechen kann. Der Baumwolle wird Regen jetzt nicht mehr viel helfen, aber nach Monaten der Trockenheit verspüre ich ein fast körperliches Bedürfnis nach Wasser, ganz ähnlich den dumpfen Kopfschmerzen, die sich einstellen, wenn ich zu lange keinen Kaffee mehr getrunken habe.
Als wir Jackson erreichen, habe ich mir einen Plan für den Notfall ausgedacht. Wenn der Chief mich nicht laufen lassenwird, weil ich mit Bob Anderson verwandt bin, kenne ich drei oder vier Freunde vom College, die sich hier als Anwälte niedergelassen haben, und mindestens dreißig weitere, die in größeren Kanzleien arbeiten. Wahrscheinlich gibt es in Jackson mehr Anwälte, die auf der gleichen Uni wie ich studiert haben, als Cops. Ich habe auf ein paar Banken in der Stadt Geld liegen, also dürfte die Kaution kein Problem sein. Das Problem ist die Zeit.
Plötzlich flackern Zeilen mit Buchstaben vor meinen Augen, und ich höre sie, als würde eine angsteinflößende digitale Stimme sie laut vorlesen: Ich bin nur einem Gott über mir unterworfen, und dieser Gott ist die ZEIT .
Brahma weiß, wovon er spricht.
Sechsunddreißig Minuten nachdem Mayeux und Overstreet mich ins Polizeirevier von Jackson geführt haben, wurde ich ohne weitere Auflagen und der Versicherung, daß der Vorgang in keinen Akten als Verhaftung aufgeführt werden wird, freigelassen. Mein Schwiegervater hat wohl nicht übertrieben, als er sagte, er habe Verbindungen. Gott allein weiß, welche Verbindungen Bob Anderson zu den Leuten hat, die diesen Staat regieren, doch im Augenblick ist mir das völlig egal. Die so oft angeprangerte Vetternwirtschaft kommt einem wunderbar vor, wenn man mit Handschellen in einem Polizeirevier sitzt. Natürlich funktioniert dieses System nur,
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