@ E.R.O.S.
unmittelbar vor der großen Operation wurden seine Helfer gierig. Er benutzte indische Ärzte ohne Zulassung als Assistenten, die wahrscheinlich Kali rekrutiert hat. Sie versuchten, mehr Geld rauszupressen, und Kali hat einen von ihnen umgebracht.«
»Da haben wir doch schon eine Spur! Das FBI kann indische Ärzte überprüfen, die in den USA keine Zulassung bekommen haben. Sie können sich auf New York konzentrieren.«
»Hör mir zu, Harper. In derselben Nacht starb die May auf dem Operationstisch. Am nächsten Tag drang das FBI in seine Wohnung in Dallas ein. Fällt dir hier ein Muster auf?«
»Brahma hat große Probleme.«
»Genau. Aber zieht er erst mal den Kopf ein und formiert sich neu? Nein. Er entschließt sich, dem FBI eine Lektion zuerteilen. Er macht Lenz’ kleines Spielchen mit und bringt dann dessen Frau um. Derweil spielt er auch mit dir Küßchen, Küßchen.«
»Vielleicht sollte ich der nächste Spender sein.«
»Für wen? Wer wäre der Empfänger gewesen?«
»Vielleicht Kali?«
Das läßt Miles innehalten. »Daran habe ich nicht gedacht. Aber ich bezweifle es. Dafür ist es noch zu früh. Sie würde doch wissen wollen, daß die Prozedur auch funktioniert, bevor sie so ein Risiko eingeht.«
»Warum hat er also mit mir gesprochen?«
»Brahma will die Unsterblichkeit, Harper. Körperliche Unsterblichkeit. Hör dir das an: ›Bald werde ich allein auf dem Gipfel der Spezies stehen, der einzige Mensch, der den Mut hat, in den Brunnen zu greifen. Bald werde ich Gott ins Gesicht spucken.‹«
»Der Jungbrunnen?«
»Ja, verdammt noch mal. Er spricht sogar von Ponce de León. Brahmas Jungbrunnen ist die Zirbeldrüsentransplantation. Doch als er seinem Ziel näherkommt, wendet das Schicksal sich gegen ihn. Und je schlimmer es wird, desto mehr erzählt er dir von sich selbst. Er plaudert seine gesamte Lebensgeschichte aus, und wir wissen, daß er das noch nie zuvor getan hat. Warum?«
»Weißt du es?«
»Es gibt noch eine andere Unsterblichkeit, Harper.«
»Sag’s mir jetzt endlich, verdammt!«
»Kinder.«
Das Wort detoniert wie eine Bombe in meinem Unterbewußtsein. Trotz der ruckhaften Bildverbindung sehe ich die Aufregung auf Miles’ Gesicht.
»In den Ausdrucken, die du rübergefaxt hast, sagt Brahma, er habe Kali sterilisiert, weißt du noch?«
»Ja. Er hat gesagt, er könne keine Kinder von ihr bekommen, also habe sie ihm erlaubt, sie zu sterilisieren.«
»Wenn er keine Kinder von ihr bekommen konnte , hätte ersie nicht sterilisieren müssen. Ich glaube, er wollte keine Kinder von ihr haben.«
»Weil sie Inderin war«, sage ich geistesabwesend. »Weil sie dunkle Haut hat.«
»Genau! All diese frühen Fragen über die Hautfarbe! Sein ganzes Leben lang hat Brahma jemanden wie seine Mutter als Gefährtin gesucht.«
»Aber meine ›Erin‹ sah Catherine kaum ähnlich.«
»Vielleicht nicht körperlich. Obwohl du sie in dieser Hinsicht ein wenig verändert hast. Feiner Instinkt.«
»Ja, offensichtlich.«
»Nein, hör zu, Harper. Die Antwort liegt in der Geschichte, die du ihm erzählt hast. Deshalb war ›Erin‹ wie seine Mutter, und deshalb fühlte er sich von ihr angezogen.«
»Was meinst du?«
»Du hast das meiste von dem, was du Brahma erzählt hast, geschwärzt«, sagt Miles und sieht dabei genau in die Kamera, »aber jetzt ist nicht der richtige Augenblick für Schüchternheit. Du hast ihm erzählt, wie es zwischen dir und Erin gelaufen ist, nicht wahr? Der echten Erin.«
Ich zögere einen Moment lang. »Ja.«
»Die große Sache in Brahmas Vergangenheit ist der Inzest. Er ist ein Kind, das aus Inzest hervorgegangen ist; er hat sich immer nach der Schwester gesehnt, die er nie hatte; Kali war ein schwacher Ersatz. Stimmt’s?«
»Hm.«
»Ich habe über Erin nachgedacht. Und dich. Eure getrennte Vergangenheit, als etwas zwischen euch hätte laufen können. Und dann wurde mir klar, daß ihr kurz hintereinander geheiratet habt.«
»Miles ...«
»Also habe ich in der Methodistenkirche unten in Rain angerufen und herausgefunden, wann genau Erin und Patrick geheiratet haben. Dann habe ich im Computer der Sozialversicherung nachgesehen und bekam ein Geburtsdatum von Holly Graham ...«
»Du Saukerl!«
»Es tut mir leid, Harper. Ich mußte es wissen. Und das ist die Antwort. Brahma war von ›Erin‹ besessen, weil es diesen semi-inzestuösen Dreh in ihrer Vergangenheit gab. Und weil du sie so überzeugend gespielt hast. Erin hatte ein Kind vom Mann ihrer Schwester. Sie
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