@ E.R.O.S.
-Trick, genau in dem Augenblick, in dem ich die Freiheit schon riechen kann. Lenz lächelt seltsam. »Was für ein Instrument spielen Sie?«
Die Frage wirft mich aus dem Gleichgewicht. Ist das irgend so eine beschissene Barbara-Walters-Frage? Was für ein Baum ich gern wäre? Aber natürlich ist es das nicht. Ich spiele ein Instrument, und irgendwie weiß Lenz das. »Gitarre«, antworte ich verdutzt.
Der Psychiater nickt, und in seinen Augen liegt ein Anflug von Enttäuschung. »Singen Sie auch?«
»Einige Leute glauben das. Aber ich hab’s nie getan.«
Der Rest der Gruppe schaut von mir zu Lenz und wieder zurück und versucht, diese seltsame Koda unseres Gesprächs zu verstehen. Meine Verwirrung hält mich an Ort und Stelle, bis der Psychiater sagt: »Schwielen, Mr. Cole. Sie haben stark ausgeprägte Schwielen an den Fingerspitzen Ihrer linken Hand.«
Die Hand schließt sich unfreiwillig. Ich werfe einen Blick auf Lenz, präge mir sein Gesicht ein, drehe mich dann um und trete auf den Gang.
Als ich das Revier verlasse, komme ich an einem Pulk von Männern mittleren Alters in schweißfleckigen Anzügen vorbei. Sie warten offensichtlich auf etwas. Ihre wütenden Stimmen verraten mir, daß sie keineswegs aus den Südstaaten kommen, und bevor ich außer Hörweite bin, wird mir klar, daß sie auf mich warten.
Ich beschleunige meine Schritte.
Als ich draußen bin, denke ich über Dr. Lenz’ kleine Vorstellung nach. Er ist ein aufmerksamer Mann. Aber ist er auch clever? Ein kluger Mann hätte einfach nur festgestellt, daß ich Schwielen an den Fingern habe, und sich verabschiedet; außer er war der Ansicht, er müsse unbedingt schnell herausfinden, was für ein Instrument ich spiele. Doch selbst dann hätte ein kluger Mann geschwiegen, nachdem ich seine Frage beantwortet hatte, und mich über seine deduktiven Fähigkeiten staunen lassen. Und doch hat Arthur Lenz nicht der Versuchung widerstehen können, seinem staunenden Publikum von Lestrades den Sherlock Holmes zu geben. Warum?
Der Arzt wollte sich zur Geltung bringen. Ich weiß nicht, warum, aber das ist irgendwie wichtig. Ich werde das Gefühl nicht los, daß dieses unaufdringliche Gespräch ein sorgsam inszeniertes Verhör war, das allerdings nicht so aussehen, auf keinen Fall diesen Anschein erwecken sollte. Baxter und Lenz spielen die guten Bullen, die Cops aus New Orleans die bösen. Vielleicht ist es auch noch komplizierter. Aber warum haben sie mich nicht verhaftet und durch die Mangel gedreht, wenn sie mich wirklich verdächtigen? Oder mich den Wölfen aus den anderen Bundesstaaten zum Fraß vorgeworfen, die auf mich warteten?
Eines ist sicher: Das FBI hat das Gespräch kontrolliert. Ich bin frei, weil sie es so wollten. Warum wollen sie das? Könnte das FBI – wie Chief Tobin – Angst vor den Medien haben? Wäre möglich. Nach sieben Morden – acht, wenn man Strobekker mitzählt – hat die Eliteeinheit Serienkiller es fertig gebracht, kein einziges der Verbrechen mit einem der anderen in Verbindung zu bringen. Wenn diese kostbare Einheit jetztfälschlicherweise den braven Bürger beschuldigt, der die Morde für sie miteinander in Zusammenhang gebracht hat, würde sie in solchen Sendungen wie Nightline , ganz zu schweigen von Hard Copy , die sich bereits an den Fall herangemacht hat, zur Zielscheibe des Spotts werden.
Mich treibt nur die Intuition zum Weitergehen, doch diese lautlose Stimme in meinem Kopf hat mich nur selten im Stich gelassen. Während ich den unvermeidlichen Strafzettel von der Windschutzscheibe meines Explorers ziehe und das zusammengeknüllte Bällchen in den Rinnstein werfe, sagt diese Stimme eines laut und deutlich: Du hast heute mehr Probleme, als du gestern hattest.
6
A
ls ich den Schlüssel in der Haustür meines Bauernhauses umdrehe, klingelt eines meiner Bürotelefone. Da ich denke, es sei Drewe, laufe ich zum Apparat.
»Hallo, Verräter.«
Es ist nicht Drewe. Die Stimme im Hörer ist gleichzeitig fremd und vertraut. Sie gehört Miles Turner.
»Du hast die Sache wirklich tüchtig durchgeschüttelt, was?« sagt er. »Was hast du gehört?« frage ich, schockiert über die saunaähnliche Hitze, die sich im Lauf des Tages im Haus angesammelt hat.
»Jan ist sehr böse auf dich.«
»Das hab’ ich mir gedacht. Hat das FBI sie angerufen?«
Ich höre ein schwaches tz ... »Ob sie sie angerufen haben? Nein, Harper. Das wäre für das Federal Bureau der Inkompetenz doch viel zu einfach. Sie standen mit einem
Weitere Kostenlose Bücher