@ E.R.O.S.
Philistern. Sie würden Prometheus an einen Felsen ketten, weil er das Feuer gestohlen hat.«
»Wovon sprechen Sie?«
»Bedenke bitte eins, wenn ich jetzt fortfahre. Es gibt keine moralischen Phänomene, nur moralische Interpretationen von Phänomenen. Vergiß die willkürlichen Regeln, die du als Kind gelernt hast. Hör mir mit voller Aufmerksamkeit zu, mit unbeeinflußtem Geist ...«
Berkmann beginnt nun mit der Geschichte, die er vor ein paar Tagen auch »Erin« erzählt hat, doch in komprimierter Form. Wenn überhaupt, wird sie durch ihre Kürze jedoch noch eindrucksvoller. Man kann die Poesie seiner Sprache nicht bestreiten, wenn er von Rudolf und Richard und Catherine – immer Catherine – und Kali spricht. Drewe wirft ein gelegentliches »Ja« oder »Hmm« ein, doch sonst kaum etwas. Während die Minuten verstreichen, wird mir klar, daß Berkmanns Worte mich auf einer grundlegenden Ebene berühren. Was können sie da erst bei Drewe anrichten?
Als ich das Telefon fest gegen mein Ohr drücke, höre ich ein Stimmengewirr. Dann sagt Miles: »Harper!«
»Ich höre.«
»Die SWAT-Teams gehen in Position. Scharfschützen auf den Dächern und so weiter. Alle meinen, du sollst Berkmann am Computer halten.«
»Er spricht noch immer mit Drewe. Sag ihnen, sie sollen die Bleispritzen rausholen. Ich weiß nicht, wie lange sie das noch durchsteht.«
»Das SWAT-Team hat Baxter am Apparat. Er ist mit dem Wagen hierher unterwegs. Sie gehen rein, sobald er hier ist.«
»Okay.«
Berkmann kommt mit seiner Geschichte nun schneller voran. Er spinnt den zentralen Faden seines Lebens – seine Hämophilie – zu einer Geschichte fast mythischen Ausmaßes. Die illegale Lebertransplantation, die ein Menschenleben kostete, aber »seine große Wunde heilte«, klingt wie Teil eines heldenhaften Unterfangens. Und über allem schwebt seine Familie wie eine mystische Dreifaltigkeit, seine Mutter eine leuchtende Gestalt in der Ferne, sein Vater neben ihm schreitend, sein Großvater ein Schatten, der ihnen von hinten folgt.
»Harper!« sagt Miles in mein Ohr.
»Ich höre.«
»Baxter ist gerade aus dem Wagen gestiegen. Sie geben ihm Deckung, als wäre er General MacArthur. Bleib dran.«
Ich versuche, durchs Telefon mitzubekommen, was dort vorgeht, während Berkmann nun davon spricht, was Drewe ihm bedeutet. Sie hört zu, als hätte nichts in seiner verdorbenen Geschichte sie auch nur im geringsten schockiert.
»Gottverdammt!« brüllt Miles in mein Ohr.
»Was ist los?«
»Baxter läßt mich nicht mit rein! Dieses Arschloch!«
»Das hast du doch nicht angenommen, oder?«
»Er hat mich benutzt, Mann! Ich bin nur hier, um dafür zu sorgen, daß du Berkmann online hältst.«
»Na und! Sag mir, was passiert.«
»Scheiße. Hier sieht es aus, als würden sie einen Film drehen. Sie wissen nicht, wo im Gebäude der Computer ist, werden beide Stockwerke also gleichzeitig durchsuchen. Die Jungs auf dem Dach werden sich mit ihrer Kletterausrüstung durch die Fenster schwingen, während die Jungs auf dem Boden die Türen mit Plastiksprengstoff öffnen.«
»Was ist mit den Geiseln?«
»Baxter hat Sanitäter angefordert ... Warte, da kommt er .«
Plötzlich schallt Daniel Baxters befehlsgewohnte Stimme aus dem Telefon. »Cole? Baxter.«
»Sagen Sie mir, was ich tun soll.«
»Ich will hier kein zweites Dallas erleben. NYNEX hat uns mitgeteilt, daß Computerdaten über eine Telefonleitung in Berkmanns Lagerhaus geschickt werden. Es sieht so aus, als sei er dort online, aber ich will nicht, daß er mich wieder zum Narren hält und von den Fenstern aus Cops erschießt. Ich will von Ihnen hören, daß Edward Berkmann in diesem Augenblick online ist.«
Da ich es leid bin, den Mittelsmann zu spielen, trage ich das Telefon durch den Raum und halte es vor einen der Computerlautsprecher.
»Die meisten Frauen« , sagt Berkmann gerade, »sind wassergefüllte, blutleere Wesen, die ewig anschwellen und versumpfen und den Männern die Lebenskraft entziehen, während sie gleichzeitig neues Leben hervorbringen. Sie sind nur Korridore, die zum Grab zurückführen. Ich habe Jahrzehnte auf eine Frau aus Feuer und Licht gewartet ...«
»Haben Sie das gehört?« frage ich Baxter.
»Ist er das?«
»Das ist ein digitales Faksimile seiner Stimme, die live zu meiner Frau spricht.«
Mit einer Stimme, die der ähnelt, mit der er die Razzia in Dallas von Quantico aus geleitet hat, sagt Baxter: »Captain Riley, Sie haben grünes Licht.«
»Wie kommt dir
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