@ E.R.O.S.
war, als würde man mit einem Ford Pinto beim Indy 500 aufkreuzen, dem Rennleiter die Schlüssel geben, und er hätte gesagt: ›Mein Sohn, diese Pinto-Schlüssel berechtigen dich, für die Dauer des Rennens einen Maserati zu fahren. Wenn du den Wagen zu Schrott fährst, mußt du ihn natürlich bezahlen, aber darüber zerbrechen wir uns den Kopf, wenn es passiert ist. Bitte versuche, dich nicht umzubringen.‹ Und dann ließen sie einen auf die Strecke.«
»Und Sie haben das Rennen gewonnen?«
»Ich habe sie in den Arsch getreten, Doktor. Nach fünf Monaten kündigte ich bei der Firma, und nach zwölf Stunden im Zug war ich im Delta. Ich ging direkt zur Bank und verlangte, Crump zu sprechen. Nach dieser Zugfahrt muß ich wie der letzte Penner ausgesehen haben, aber er hat nicht mal mit der Wimper gezuckt. Damals war er schon über siebzig.
Ich hab’ ihm gesagt, ich wolle ihm unsere Farm wieder abkaufen. Crump erwiderte, das Land sei nicht zu verkaufen. Ich sagte, ich würde ihm einen guten Preis zahlen. Er meinte, ich solle beim Weg nach draußen darauf achten, daß mir die Tür nicht gegen den Arsch knallt. Ich wußte, wie hoch der Marktwert war, und nannte ihm die doppelte Summe – das Vierfache dessen, was er bezahlt hatte. Unverkäuflich, sagte Crump. Ich verlor allmählich die Beherrschung, zeigte es ihm aber nicht. Ich sagte ihm, er solle vernünftig sein, alles habe seinen Preis. Er erwiderte, das sei nicht immer der Fall.
Das brachte mich völlig durcheinander. Ich hatte auf seine Gier vertraut, doch seine Antwort deutete darauf hin, daß ich ihn falsch eingeschätzt hatte. Er musterte mich, wie ein Jäger einen in die Enge getriebenen Waschbären mustert, und ich kam zu dem Schluß, daß meine einzige Chance darin bestand, alles auf eine Karte zu setzen. Ich sagte dem Arschloch, ich würde ihm für die Farm den vierfachen Marktwert zahlen – einen Profit von achthundert Prozent –, aber das Angebot gelte nur eine Stunde lang. Ich sagte, ich würde in einer Stunde wiederkommen, und wenn er das Geld haben wolle, solle er die Verträge fertig haben. Ich ging in ein Café, trank gemächlich drei Tassen Kaffee, ging pinkeln und dann zur Bank zurück.«
»Und?«
»Und Crump hatte seinen Anwalt und zwei Zeugen aufmarschieren lassen, und der Vertrag wartete auf meine Unterschrift. Nachdem ich die Papiere unterzeichnet hatte, sagte er mir, ich sei der blödeste Arsch, der je durch diese Tür gegangen sei. Vielleicht, sagte ich, aber ich hätte noch zehntausend Dollar übrig, und ich hätte ihm auch die und noch mein letztes Hemd obendrein für das Land gegeben, und ich hoffte, er würde einen verdammt einsamen Tod sterben.«
Lenz hat mir das Gesicht zugedreht. Er betrachtet mich mit neuem Interesse. »Ist diese Geschichte wahr? Sie klingt fast so wie Ist das Leben nicht schön ?«
»Vielleicht wie eine Version ab achtzehn. Aber sie ist wahr. Das Leben bietet einem nicht viele solcher Chancen.«
Er nickt. »Das Leben hat sie Ihnen nicht geschenkt. Sie haben sie sich erarbeitet.«
»Ein Friseur hat mich zur Farm gefahren. Mom saß in der Küche, rauchte eine Zigarette und trank eine Tasse kalten Kaffee. Als ich die Übertragungsurkunde vor ihr auf den Tisch legte, starrte sie sie fast eine Minute lang an. Dann schaute sie auf und fragte mich, ob sie echt sei. Ob sie echt sei. Als ich ihr sagte, sie sei es, brach sie fast zusammen. Sie war ... es war einfach zu viel. Sie zitterte und weinte und versuchte, mich zu umarmen, und in diesem Augenblick ... gottverdammt, da wußte ich, was es hieß, ein Mann zu sein. Verstehen Sie das? Da wurde mir endlich klar, daß man sich als Mann um die Menschen kümmern muß, die man liebt, ganz gleich, wie man das macht. Selbst wenn man dafür sterben muß.«
»Wie hat Ihr Vater die Nachricht aufgenommen?«
»Ich glaube, hauptsächlich war er erleichtert. Vier Jahre lang hatte er mit dem Wissen gelebt, daß er meine Mutter im Stich gelassen hatte und es nie wiedergutmachen konnte. Daß ich das Land zurückkaufte, gab den Dingen eine Wendung zum Besseren, aber es war bereits großer Schaden entstanden. Dad hatte vier Jahre lang geglaubt, er sei für die Menschen, die er liebte, tot wertvoller als lebendig. In geschäftlicher Hinsicht war seine Lebensversicherung so ziemlich das einzige, was er richtig gemacht hatte. Er dachte, nur durch seinen Tod könne er für seine Familie sorgen, und fing an, schwer zu trinken. Es war kein perfektes Happyend oder so.«
Lenz hebt
Weitere Kostenlose Bücher