@ E.R.O.S.
Knotenpunkt eines Netzwerkes von fünftausend Personen (die Hälfte davon Frauen), die mitunter von früh bis spät an Sex denken.
»Ich hab’ Hühnerbrüstchen mitgebracht«, sagt Drewe und zieht die Augenbrauen hoch wie ein französischer Küchenchef aus einem Comic.
»Toll«, sage ich. »Ich komme gleich und werf’ sie in die Pfanne.«
Es ist nicht so, daß Drewe nicht an Sex denken würde. Ganz und gar nicht. Es ist auch nicht so, daß sie keinen Spaß am Sex hätte. Sie hat Spaß daran. Aber in letzter Zeit denkt sie auf eine ganz neue Art und Weise über Sex nach. Sie hält ihn nun für ein Mittel zum Zweck. Damit meine ich den natürlichen Zweck.
Kinder.
Sie lächelt. Mit dreiunddreißig und kinderlos hat Drewe noch die straffe Haut und die festen Muskeln einer Frau in den Zwanzigern. Ihr Brüste sind noch hoch und fest, ihr Gesicht ist faltenlos, von Lachfältchen einmal abgesehen. Das liebe ich an ihr. Ich weiß, wie selbstsüchtig mein Wunsch ist, daß sie ihre körperliche Jugend behält. Aber ein Teil von mir möchte das. Ihr Haar ist rötlichbraun, die Haut hell, die Augen sind grün. Sie hat nicht die Schönheit eines Models (ihre jüngere Schwester Erin war das Model) und auch nicht die aufgesetzte Eleganz einer verhätschelten, Aerobic treibenden jungen Studentin. Drewes besonderer Reiz geht von ihren Augen aus. Nicht nur von den Augen selbst, die tiefliegend undklar sind, sondern auch von den Brauen, die wie die Spanten eines Schiffes fein geschwungen und doch kräftig sind. Ihre Augen versprühen reine Intelligenz, kühle, reichlich vorhandene, ungewöhnliche Vernunft.
Drewe Cole ist klug.
Ihr Lächeln wird breiter und zu einem koboldhaften Grinsen – was ich in letzter Zeit nicht mehr so oft gesehen habe –, und dann geht sie zur Küche. Ich werfe einen letzten Blick auf die Zahlen aus Chicago und folge ihr.
Unser Haus wäre für jeden, der nicht auf einer Farm aufgewachsen ist, eine Kuriosität. Es nahm seine Anfänge vor fünfundsiebzig Jahren als quadratisches, einstöckiges Gebäude, das gerade groß genug war, um meinem Großvater mütterlicherseits und meiner Großmutter (die im Alter von neunzehn respektive sechzehn Jahren heirateten) und den ersten Kindern, die sie erwarteten, Unterkunft zu bieten. Doch als die Farm gedieh und weitere Kinder kamen, baute mein Großvater immer mehr Räume an – zuerst mit einer hartnäckig logischen Symmetrie, später offensichtlich dort, wo er sie am einfachsten anhängen konnte. Das Ergebnis ähnelt irgendwie einem hölzernen Kartenhaus, das ein Achtjähriger errichtet hat. Wenn man von einem Zimmer zum anderen geht, muß man manchmal ein paar Stufen auf- oder abwärts gehen, um sich auf eine etwas andere Ebene zu begeben, doch da ich in diesem Haus großgeworden bin, nehme ich diese Abweichungen nicht mehr bewußt wahr.
Das Herz des Hauses ist die Küche, ein langer und zu schmaler Raum. Ich habe mir einmal überlegt, eine Wand herauszureißen und sie zu vergrößern, doch ein befreundeter schwarzer Zimmermann sagte mir, da das gesamte Haus durch irgendeine Rassisten-Magie an diesem Kern zu kleben scheine, sei ich besser beraten, lieber jedesmal den Arsch an dem meiner Frau zu reiben, wenn wir uns gleichzeitig zwischen dem Herd und der Arbeitsfläche gegenüber bewegten. Das erwies sich als guter Rat.
»Sind wir heute reicher oder ärmer?« fragt Drewe von der Spüle aus. Sie wäscht bereits die Hähnchenteile ab.
»So in etwa gleich«, sage ich, hole eine gußeiserne Bratpfanne aus dem Herd und stelle sie auf eine Gasflamme.
Ihre Frage ist oberflächlich. Bei den zehn Kontrakten, um die es geht, und die entsprechen heutzutage für mich dem Durchschnitt, könnte ich höchstens – und das auch nur im allerschlimmsten Fall – etwas fünfzigtausend Dollar verlieren. Das würde uns nicht ernsthaft beeinträchtigen.
Ich bin gut in meinem richtigen Job.
»Hast du heute ein paar Menschenleben gerettet?« sage ich. Meine Frage ist nicht oberflächlich. Drewe ist Gynäkologin. Sie arbeitet in der Abteilung für Geburtshilfe und bringt die Babys zur Welt, die vor dreißig Jahren mein Vater (ein praktischer Arzt) zur Welt gebracht hätte. Normalerweise hat sie nichts mit Autounfällen oder Opfern von Schießereien zu tun, aber oft mit traumatisch verlaufenden Geburten.
Sie beantwortet meine Frage mit einem schnellen Kopfschütteln und wirft die Hähnchenteile in die zischend heiße Bratpfanne. Ich würze sie großzügig, als sie fragt:
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