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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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begehen einen Fehler, wenn Sie Ihre Frau in irgendeiner Hinsicht unterschätzen.«
    »He, das weiß ich besser als jeder andere.«
    Lenz schaut gedankenverloren drein.
    »Haben Sie noch weitere große Erkenntnisse anzubieten, Doktor?«
    »Na ja ... im Gegensatz zu vielen psychiatrischen Patienten haben Sie ein echtes Problem. Im körperlichen Sinne, meine ich. Dieses Kind ist ein lebendes Symbol für eine geheime Beziehung. Ich bin sicher, Sie haben das Mädchen lieb. Und die Mutter muß – muß – Sie manchmal ansehen und sich wünschen, Sie wären der Mann, der es großzieht. Meines Erachtens wird die Wahrheit irgendwann herauskommen, ganz gleich, was Sie tun. Sie können den Zeitpunkt bestimmen, mehr aber nicht.«
    Lenz äußert seine Meinung mit der Überzeugung eines Orakels, und die Katharsis, die ich am Anfang meiner Beichte verspürt habe, löst sich auf wie Rauch im Wind.
    »Lassen Sie mich kurz das Thema wechseln«, sagt er. »Würden Sie mir eine Frage über Miles Turner beantworten?«
    »Ich habe den Eindruck, ich habe schon genug gesagt.«
    »Als ich ihn fragte, was das Schlimmste sei, was er je getan habe, weigerte er sich zu antworten. Aber er sagte, er würdemir das Schlimmste verraten, was ihm je zugestoßen sei. Er sagte, er habe einmal sechzig Sekunden lang einer Grubenotter in die Augen gestarrt.«
    Ich fühle, wie sich auf meinem Nacken eine Gänsehaut bildet.
    »Mehr wollte er nicht sagen«, fügt Lenz hinzu. »Können Sie mir Einzelheiten nennen?«
    »Sie haben ihn mit dieser alten Anklage wegen Drogenbesitz nicht dazu bringen können, es Ihnen zu sagen?«
    Lenz schaut wirklich überrascht drein. »Hat er Ihnen das erzählt?«
    »Daß Sie ihn gezwungen haben? Ja. War es etwa nicht so?«
    »Doch. Aber nicht mit einer Anklage wegen Drogenbesitz. Es war ein tätlicher Angriff.«
    Ich spüre die Übelkeit eines plötzlichen Sturzflugs. »Körperverletzung?«
    »Ja. Ich habe Einsicht in die Akten genommen, aber sie geben nicht viel her. Es ist vor einer Schwulenbar in Manhattan passiert. Zwei Männer haben einen Freund von Mr. Turner – einen homosexuellen Freund – beleidigt, und Turner hat sie daraufhin beleidigt. Die Abfolge der Ereignisse ist danach unklar, aber herausgekommen ist letztlich, daß beide Männer von Mr. Turner heftig verprügelt wurden. Offensichtlich ist er in Kampfsportarten ausgebildet.«
    Mein Zorn darüber, daß Miles über mich geplaudert hat, wird von einer Frage bezwungen, die mir schon seit langem keine Ruhe läßt. »Doktor, glauben Sie, daß Miles schwul ist?«
    Lenz lächelt mit strahlender Ironie. »Das fällt unter die ärztliche Schweigepflicht, Cole. Allerdings gibt es keinen rechtlichen Einwand dagegen, daß Sie mir erzählen, was Sie wissen.«
    Ich will mich weigern, denke dann jedoch: Warum hat Miles es überhaupt Lenz gegenüber erwähnt, wenn er nicht will, daß ich darüber spreche?
    »Wir waren Kinder«, sage ich. »Elf oder zwölf, die bestenFreunde. Miles hatte nicht viele. Es war nicht einfach, ihn zu mögen. Einige der älteren Jungs konnten ihn wirklich nicht ausstehen. Er war doppelt so klug wie sie und schreckte nicht davor zurück, sie in der Schule wie Idioten aussehen zu lassen. Es war Sommer. Wir beide suchten auf einem kleinen Indianergrabhügel in einem Baumwollfeld nach Pfeilspitzen. Einige Kinder hatten in einem Wäldchen auf dem Hügel ein Fort gebaut. Es war nur ein Loch im Boden, mit einer dreißig, vierzig Zentimeter hohen Mauer aus Holzstämmen darum herum und einem Wellblechdach darüber. Das Loch war die meiste Zeit über mit Wasser vollgelaufen. Wir sahen uns das Fort gerade an, als vier ältere Jungs johlend auf ihren Fahrrädern herangebraust kamen. Sie zogen uns auf, besonders Miles. Miles ließ sich zu einer klugscheißerischen Erwiderung hinreißen, und das war es dann. Sie schlugen ihn ein paar Mal. Dann sagte der Anführer, er wolle Miles eine Lektion erteilen. Er sagte, in dem Fort würden Mokassinschlangen nisten, und wenn Miles nicht bei seinem Taugenichts von Dad schwören würde, daß er gern Negerschwänze lutschte, würden sie ihn in das Loch werfen. Miles hatte Todesangst, aber er wollte einfach nicht sagen, was sie verlangten. Ich glaube, das mit seinem Vater hat ihn dazu gebracht, nicht das mit dem Schwanzlutschen. Er schrie und trat um sich, aber schließlich warfen sie ihn einfach durch den kleinen Einstieg in das Fort. Ich hörte das Platschen und dann nichts mehr. Der Typ sagte, wenn Miles vor Anbruch der

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