@ E.R.O.S.
aufmerksam sein kann – oder grausam. Ihre scharfe Stimme erinnert an die von Lehrerinnen, die es ein wenig zu sehr genießen, ihre Schüler zu disziplinieren.
»Ihr Akzent«, sagt sie. »Er erinnert mich an North Carolina. Meine Familie kommt aus Philadelphia, aber ich bin in Greensboro aufs College gegangen, eine reine Mädchenschule. Sie haben jedoch Jungen mit Bussen aus Duke herangekarrt. Überaus charmante Jungs.«
»Wie schön.«
»O ja, das war es«, sagt sie in einem beschwingten langgezogenen Tonfall, der so echt klingt wie Vivien Leighs Blanche DuBois. »Diese Jungs wußten noch, wie man sich als Gentleman benimmt. Aber sie wußten auch, wann sie aufhören mußten, ein Gentleman zu sein. Sie wissen, was ich meine? Mister Cole?«
Nach einem unverbindlichen »Hmmm« wende ich den Blick von ihr ab. Mrs. Lenz fordert meine Aufmerksamkeit wieder ein, indem sie das Eis in ihrem Glas klirren läßt und mit der Zunge schnalzt.
»Das hat Arthur nie gelernt«, fährt sie fort. »Er ist immer solch ein Gentleman. Aber die Neuengland-Version kann so langweilig sein.«
»Dr. Lenz kommt mir nicht wie der langweilige Typ vor, Ma’am.«
»Geben Sie ihm etwas Zeit, mein Lieber. Er macht immer einen ganz tollen ersten Eindruck. Er ist blendend analytisch. Aber er ist auch betäubend vorhersagbar.«
Das unbehagliche Schweigen nimmt zu, während sie sich nähert und mit dem gelben Glanz eines billigen Diamanten lächelt. Ich habe das Gefühl, daß sie mich umkreist, wie ein Aasgeier.
»Man sollte doch meinen, ein Mann, der Freud wie seine Westentasche kennt, sollte auch den Weg durch ein Schlafzimmer finden, oder?«
»Äh ... ich glaube nicht, daß mich das etwas angeht.«
Sie kommt noch näher. »Ich muß im Lauf der letzten zwanzig Jahre hundert Psychiater kennengelernt haben«, sagt sie. »Die kältesten Quallen, mit denen man je Pastete gegessen hat. Die eine Hälfte von ihnen impotent, die andere schwul.«
Die Erlösung kommt endlich in Gestalt von Dr. Lenz, der mit einem Koffer und einer Aktentasche in die Küche platzt. Er weiß wahrscheinlich ganz genau, was ich hier unten ertragen mußte. Ich stolpere auf meiner Flucht fast über meine Schnürsenkel.
Janet Lenz verfolgt uns bis zur Waschküche. »Spiel nur deine kleinen Denkspielchen«, sagt sie, als ihr Gatte die Tür öffnet. »Wir können doch nicht zulassen, daß einer der bösen Buben da draußen seinen Spaß hat, oder?«
Ich drehe mich noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie Lenz die Tür zuschlägt.
»Wie Sie sehen, haben wir alle unsere Probleme«, sagt Lenz, als der Mercedes mit einem tiefkehligen Knurren die Auffahrt hinabfährt.
»Ist Sie Ihnen lästig geworden?«
»Überhaupt nicht. Nur eine kleine Plauderei.«
Er gibt ein tiefes, neugieriges Geräusch von sich. »Sie hat nicht die Unterschiede der relativen Größe der Geschlechtsorgane von Weißen und Negern zur Sprache gebracht?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Da haben Sie aber Glück gehabt.«
»Was für ein Problem hat sie?«
»Depressionen. Alkohol. Einen Ehemann, der sich gefühlsmäßig von ihr entfernt hat und häufig ein Arschloch ist. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.«
»Das geht mich sowieso nichts an.«
»Es tut mir jedenfalls leid, daß ich Sie in diese Lage gebracht habe.«
Lenz fährt mittlerweile wesentlich schneller, als die Geschwindigkeitsbegrenzung es zuläßt, so schnell, daß ich zwischen meinen Schenkeln die Hände um die Sitzkante schließe. »Wir sind ganz in der Nähe des sicheren Hauses«, sagt er. »Da kann ich problemlos hin- und herpendeln. Sie sehen ja, wieso ich in der Nähe bleiben muß.«
Ich nicke, als würde ich ihm zustimmen, doch an seiner Stelle hätte ich ein Schutzquartier in Los Angeles gewählt.
Die Fahrt dauert keine zehn Minuten, einschließlich einiger Unterbrechungen an Ampeln. Das sichere Quartier ist bescheidener als Lenz’ Heim, wäre in Mississippi aber spielend seine Hunderttausend wert. Weiß der Himmel, welchen Marktwert es hier hat. Als das automatische Garagentor sich leise surrend hinter dem Mercedes schließt, komme ich zum Schluß, daß das FBI eine sehr gute Wahl getroffen hat. Eine Frau, die sich die EROS-Gebühren leisten kann,würde nicht in einem Haus wohnen, das billiger als dieses ist.
Im Inneren des Gebäudes erlebe ich die nächste Überraschung. Ich hatte strenge FBI-Agenten erwartet, die auf und ab schreiten und Kaffee trinken, finde jedoch lediglich einen makellosen cremefarbenen Teppichboden,
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