@ E.R.O.S.
Das machte sie mit dem Mund und den Händen. Verstehen Sie, sie wußte vor mir, wie es um mich stand. Und als ich dann kam, zog sie den Kopf nicht zurück. Sie machte einfach ...« Ich verstumme, unfähig, die richtigen Worte zu finden, um dieses Erlebnis zu beschreiben.
»Danach stand sie auf und umarmte mich wieder. Sie sagte nichts, aber ich sah, sie wußte irgendwie, daß ihre Schwester das, was sie gerade getan hatte, nicht bis zu Ende geführt hätte. Ich mußte dann an Drewe denken, aber sie schien so weit weg von alledem zu sein, gar nichts damit zu tun zu haben. Es war, als wären Erin und ich uns an irgendeinem Ort begegnet, an dem es Drewe nicht gab. Etwa so als würde Erin das Krankenhaus besichtigen, in dem Drewe arbeitete; in dieser Umgebung hätte Erin einfach nicht existiert. Der Vergleich hinkt, Drewe hat ganz bestimmt eine eigene sexuelle Identität, aber ...«
»Ich verstehe.«
»Soll ich die nächsten Tage überspringen?«
»Ich habe die Wahl zwischen Ihnen und dem Radio«, sagt Lenz mit seltsam belegter Stimme. »Fahren Sie einfach fort. Bei der Dusche.«
Eine schwache Szene aus Fahrenheit 451 gleitet plötzlich hinter meinen Augen vorüber: Ich sehe mich selbst, wie ich über den bewaldeten Drehort fahre, ein lebendes Buch, aus dem ein Softporno-Text rinnt, um Lenz’ seltsame Gelüste zu befriedigen ...
»Hören Sie, ich kann nicht erklären, was Erin so einzigartig macht. Was ich vorher über Erkundungen sagte, vom Überschreiten von Schwellen ... nicht einmal das trifft auf sie zu. Ich bezweifle, daß es einen erotischen Ort gab, an dem sie noch nicht gewesen war. Außer vielleicht dem der reinen Liebe. Aber ihre sexuelle Präsenz, ihr Magnetismus ... MeinGott. Unendlich tiefe Augen, muschelförmige Schlüsselbeine, kleine Brüste mit dunklen Warzen, die der gesamten chirurgisch gestützten Architektur, die ich jeden Tag an der Börse sah, Hohn lachten. Ich glaube, ihr wurde dabei klar, daß ich zum erstenmal von ihrer Schönheit überwältigt wurde, und sie war entschlossen, mir Zugang zu alldem zu gewähren. Sie mußte viele Männer gekannt haben, die sich dermaßen in sie verknallt hatten, aber ich konnte sagen, daß diese Sache ihr mehr bedeutete.«
»Aus mehr Gründen, als Sie sich vorstellen können, Cole.«
»Als wir uns zum erstenmal im Bett liebten, kam sie etwa zehn Sekunden vor mir. Dann nahm sie mein Gesicht in ihre Hände und ... ich weiß noch genau, was sie sagte.«
Lenz dreht sich zu mir um. Seine Augen sind winzige Lichtpunkte. »Ich liebe dich?«
»Nein. Sie sagte: ›Es ist so einfach, nicht wahr?‹ und als ich mich dann in sie entleerte, lächelte sie. Wie Mona Lisa. Ich kann es nicht anders beschreiben. Als würde sie alle Geheimnisse der Schöpfung kennen.«
»Wie lange blieb sie in Chicago?«
»Vier Tage. Wir verließen kaum die Wohnung. Sie trug selten mehr als eins meiner Hemden. Sie sah sich ohne Kommentar Filme im Fernsehen an, wenn man Gelächter oder Tränen nicht als Kommentar bezeichnen will. Einmal sahen wir eine Lidstrich-Reklame, die ihre Augen zeigte. Ich bemerkte nicht, daß sie mich beobachtete. Doch als ich mich ertappte, wie ich sie anstarrte, drehte sie sich mit einem leisen Lächeln zu mir um, das mir verriet, sie wußte, daß ich sie betrachtete. Es war, als würde man mit einem ganz und gar wilden Geschöpf zusammenleben. Sie legte nie auch nur das geringste Make-up auf. Sie schien ständig feucht zu bleiben. Ich meine, sie hat nie ...«
»Sie war eine überirdische Liebhaberin«, sagte Lenz sanft.
»Nein. Sie war wirklich.«
»Ich meine das in dem Sinn, daß die erotische Aktivität eher auf Ihre als auf Erins Befriedigung gerichtet war.«
Ich dachte kurz darüber nach. »Ich glaube nicht, daß das stimmt. Sie hat auch ihren Anteil an Überraschungen bekommen.«
Der Autositz ächzt leise, als Lenz sein Gewicht verlagert. »Was meinen Sie damit?«
»Manchmal wurde sie im Augenblick des Höhepunkts ohnmächtig. Ich meine, sie war richtiggehend weg. Wir hatten überhaupt nichts getrunken, aber sie verlor buchstäblich das Bewußtsein. Es ist nur dreimal passiert; aber beim erstenmal war ich tatsächlich gerade dabei, den Krankenwagen anzurufen, als sie aufwachte.«
Lenz kicherte leise. »Ihre Reaktion ist gar nicht so einzigartig.«
»Ihnen ist das auch schon vorgekommen?«
»Leider nicht. Ich habe es nie persönlich beobachtet. La petite mort. «
»Heißt das nicht ›kleiner Tod‹?«
»Der kleine Tod. Ja. Ein Begriff aus der
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