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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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worden war, aber er scheint zu glauben, daß ihnen eine gewaltige Überraschung bevorsteht.
    Nachdem wir aufgelegt hatten, versuchte ich erneut, Eleanor Rigby zu warnen, erreichte aber wieder nur ihren Anrufbeantworter. Da ich wußte, daß sie wegen ihrer sich an sie klammernden doppelseitig gelähmten Schwester ein anonymes Konto unterhält, befürchtete ich, keine detaillierte Nachricht hinterlassen zu können, ohne ihr persönliches Leben zu verpfuschen. Ich entschloß mich, sie mit der »Schneckenpost« zu warnen, und trabte zu meinem Wagen.
    Das alles geschah vor einer Stunde, doch ich bin noch immer zwanzig Minuten von zu Hause entfernt und fahre gleichmäßig die gesetzlich erlaubte Höchstgeschwindigkeit, also knapp über einhundert Stundenkilometer. Es fühlt sich hervorragend an, zumindest mit der Illusion, mich aus den Klauen von Arthur Lenz und Daniel Baxter befreit zu haben, durch die dunklen Baumwollfelder des Deltas zu rollen. Obwohl es draußen fürchterlich heiß ist, drehe ich die Scheibe des Explorers herab und lasse die Luft durch den Wagen peitschen. Um halb fünf Uhr morgens ist es in etwa so kühl, wie es im August in Mississippi jemals wird. Aufgrund der plötzlichen Temperaturveränderung beschlägt die Windschutzscheibe, aber die Straße verläuft hier schnurgerade, und ich stelle nicht einmal die Scheibenwischer an.
    Mein blecherner Briefkasten funkelt am linken Rand meines Fernlichts, und plötzlich fluoresziert das legendäre COLE darauf. Ich bremse den Explorer ab und seufze erschöpft. Ich weiß, daß ich die letzten fünfzig Meter und die Kurve wahrscheinlich mit geschlossenen Augen fahren könnte.
    Das Farmgebäude befindet sich etwa fünfzig Meter von der Straße entfernt, beschattet von Eichen, Fichten und einer einsamen Trauerweide, die wie ein riesiger grüner Pilz neben der Veranda schwankt. Als ich gerade abbiegen will, blitzt ein Stück weiter die Straße entlang etwas unter demLicht meiner Scheinwerfer auf. Etwas, das nicht dort sein sollte. Es steht am linken Straßenrand, wo nur Baumwolle sein sollte. Ich will es zuerst ignorieren, doch die Rechte des Grundbesitzers machen mir Mut. Ich bremse, setzte rückwärts aus der Einfahrt und rolle langsam auf die silberne Reflexion zu.
    Es ist ein sportlicher Geländewagen. Ein Jeep Grand Cherokee. Ich erkenne die auffällige Neigung der Motorhaube. Er steht etwa sechzig Meter vom Haus entfernt. Als ich mich ihm nähere, fällt mir etwas auf, das mir stärkeres Unbehagen bereitet als die Vermutung, es könne sich um Wilderer handeln. An der vorderen Stoßstange befindet sich ein Nummernschild des Hinds County. Dieses Nummernschild – und der Jeep – gehört meinem Schwager Patrick Graham.
    Ohne das geringste Zögern greife ich unter den Sitz, hole meinen .38er Smith and Wesson hervor und lege ihn auf meinen Schoß. Vor drei Monaten wäre dieses Vorgehen für mich noch undenkbar gewesen, doch ich kenne die menschliche Natur gut genug, um zu wissen, daß bei einem Familienstreit jeder zu einem Opfer geistesgestörter Wut werden kann.
    Ich ziehe den Explorer über die linke Fahrspur und halte neben Patricks Jeep an. Unsere Gesichter sind keinen Meter entfernt und werden nur von zwei Glasscheiben getrennt. Patrick ist stattlich, gemessen am allgemeingültigen Vorbild unseres Präsidenten. Kurzes rotblondes Haar, auf der Seite gescheitelt, gesunde Haut, tolle Zähne. Er ist einer der wenigen mir bekannten Ärzte, die bei der Abendvisite im Krankenhaus stets einen Anzug tragen. Selbst wenn er sich leger gibt, trägt er immer entweder Kleidung von Ralph Lauren oder irgend etwas, das er sich mit UPS aus England hat kommen lassen.
    Aber an diesem Morgen sieht er aus wie ein Schatten seiner selbst. Er trägt ein Polohemd, das aber den Eindruck erweckt, er hätte es aus dem Korb für die schmutzige Wäsche geholt. Sein Haar ist länger als üblich, und er scheint nicht klar sehenzu können. Als ich das Fenster herunterkurble, starrt er geradeaus und ignoriert mich geflissentlich. Ich klopfe gegen das Glas.
    Endlich dreht er seine Scheibe herunter.
    »Was ist los?« frage ich so ruhig, wie es mir möglich ist.
    Patrick sagt nichts.
    Ich lege die Hand um den hölzernen Griff des .38ers. »Wartest du auf jemanden?«
    »Erin ist da drin.«
    »Wo? In meinem Haus?«
    Er nickt.
    Ich sage nichts, hoffe darauf, daß er freiwillig mit Informationen herausrückt, aber den Gefallen tut er mir nicht. »Holly auch?«
    Er nickt erneut. Ich komme mir vor,

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