@ E.R.O.S.
zitternden Fingern tippt:
LILITH>
Ich _bin_ erstaunt; und nun der Ansicht, die Monatsgebühr gut angelegt zu haben.
LEVON>
Du hast die Frage nach deinem Vater nicht beantwortet.
LILITH>
Ich schätze meine Privatsphäre.
LEVON>
Eine Einstellung, die ich teile. Viel Glück für diesen und alle weiteren Abende. Ich muß jetzt gehen.
LILITH>
Aber wir haben uns doch gerade erst kennengelernt.
»Hören Sie auf!« fauche ich Lenz an. »Tippen Sie B-Y-E.«
»Aber wenn ich ihn schon mal habe ...«
Bevor Lenz noch ein weiteres Wort eingeben kann, schiebe ich seinen Stuhl vom Dell zurück und gebe ein:
LILITH>
Bis zum nächsten Mal.
»Sie haben völlig recht«, sagt Lenz mit zitternder Stimme. »Ich habe kurz die Beherrschung verloren. Ich spürte seinen Ärmel schon unter meinen Fingern.«
»Das Jagdfieber hat Sie gepackt, das war’s.«
Plötzlich grinst Lenz wie eine Hyäne. »Mein Gott, es war erhebend, oder? Ich glaube, gerade ist mir klar geworden, was dieser Begriff bedeutet.«
»Verwechseln Sie das, was Sie tun, bloß nicht mit der Jagd, Doktor.«
»Und was tue ich?«
»Sie stellen ihm eine Falle.«
»Wo liegt denn da der Unterschied?«
»Wenn Sie das noch nicht kapiert haben, werden Sie diesen Typ nie schnappen.«
Lenz sieht mich an, als hätte ich gerade seinen Hund getreten. »Erklären Sie mir das mal.«
»Na ja ... bei der Jagd begibt man sich zuerst einmal ins Revier der Beute.«
»Das tue ich doch.«
»Nein, das tun Sie nicht. Eigentlich nicht. Weil die digitale Umgebung eine Illusion ist. Sie ist in jeder Hinsicht eine virtuelle Welt. Sie können nicht durch diesen Bildschirm fassen und ihn berühren. Vergessen Sie nicht, irgendwo dort draußen gibt es diesen Mörder tatsächlich – in der materiellen Welt. Dort lebt er, nicht in diesem Kasten.«
»Fahren Sie fort.«
»Bei der Jagd folgt man der Fährte eines Tiers.«
»Tue ich das nicht?«
»Nein. Das versuchen Baxters Techniker gerade. Und bislang ist es ihnen nicht gelungen. Sie persönlich haben nicht mal einen Anflug der Fertigkeiten, die erforderlich sind, um Strobekkers digitale Fußabdrücke zurückzuverfolgen. Und wenn er wirklich weiß, was er tut, wird es gar keine Fußabdrücke geben.«
»Und was wollen Sie mir damit sagen?«
»Sind Sie als Kind überhaupt mal aufs Land gefahren? Um mit einem Luftgewehr Spatzen zu schießen oder so?«
»Nein.«
»Gott im Himmel. Hören Sie, die Jagd ist ein aggressiver Vorgang. Im Prinzip begibt man sich auf das Territorium der Beute, verbirgt sich, wartet eine Weile oder läßt sich das Wild von Hunden oder Helfern zutreiben. Und wenn die Beute dann tatsächlich in Schußweite des Gewehrs oder Bogens kommt, knallt man sie ab. Päng – sie ist tot. Dabei kommt es auf die Vorbereitung an. Auf den Köder. Man muß den richtigen Köder nehmen, ihn der Beute auf den Weg legen und warten.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Lilith ist der Köder.«
»Das ist mir klar.«
»Und welche Aufgabe hat der Köder, Doktor?«
»Die Aufgabe des Köders? Natürlich, die Beute anzulocken.«
»Was ist die grundlegende Aufgabe des Köders?«
Lenz seufzt verzweifelt. »Keine Ahnung. Sagen Sie es mir.«
»Zu sein, was er ist. Das ist alles, Doktor. Dazusitzen und nichts zu tun, nur Köder zu sein. Verstehen Sie? Der Köder geht nicht zur Beute und sagt: ›Komm und hol mich!‹ Wenn es sich um rohes Fleisch handelt, liegt es einfach da und sieht tot und appetitlich aus. Wenn es sich um ein Kaninchen handelt, das man an einen Pflock gebunden hat, spielt es eine Zeitlang verrückt und erstarrt dann vor Entsetzen. Wenn ...«
»Die Lage ist wohl etwas komplizierter.«
»Nein. Sie ist genau so. Alles muß sich im Kopf der Beute abspielen. Ihr UNSUB ist genetisch darauf programmiert, den Köder töten zu wollen. Ihre Aufgabe – Ihre einzige Aufgabe – ist es, das zu sein, was der Mörder will. Vergessen Sie Baxter und seine Trottel, vergessen Sie, den Mörder manipulieren zu wollen, irgend etwas zu tun . Er weiß, was zu tun ist. Sie sitzen einfach hier und sind diese Frau. Sprechen Sie mit anderen Usern, nicht mit ihm. Bauen Sie eine Persönlichkeit auf. Dann wird er kommen. Es dauert vielleicht eine Weile, aber er wird kommen. Und dann sollten Sie bereit sein.«
Lenz erhebt sich vom Stuhl und streckt sich mit so betonter Unbekümmertheit, daß sie vorgetäuscht sein muß. Er reißt den aus dem Drucker gequollenen Papierstrom ab und läßt ihn zu Boden fallen. »Sie wollen sicher nach
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