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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Messer. Eins der Jagdmesser, die sie an der Magnetschiene in dem Mühlenschuppen gesehen hatte. Sie sah die Narbe, die an seinem Ohr anfing und sich um seine Schädeldecke herum bis in seinen Nacken zog. Sie war eckig, mit sauberen Winkeln. Zoë wusste, weshalb sie da war: Hier war die Stahlplatte eingesetzt worden, die seine Schädeldecke ersetzte.
    Sie sah sich um und überschlug, wie weit es bis zur Haustür war. Dann kehrte ihr Blick wieder zu dem Messer zurück. »Kelvin«, sagte sie, »mit dem Ding da rumzufuchteln, dafür gibt’s doch keinen Grund, oder? Mit so was reitest du dich tief in die Scheiße.«
    »Zoë«, sagte er, »ich frage dich noch mal. Was machst du in meinem Haus?«
    Sie holte tief Luft und rannte los, rutschte über den Läufer, nahm ihn mit und prallte mit voller Wucht gegen die Haustür. Sie riss an der Tür und erwartete, dass sie sich öffnen würde, aber das tat sie nicht. Der Riegel war noch eingerastet. Mit zitternden Händen drehte sie den Knauf. Doch die Tür ging immer noch nicht auf. Ein Sicherheitsschloss. Man sah den Riegel zwischen Türrahmen und Schließblech.
    Sie drehte sich um. Kelvin stand hinter ihr und versperrte ihr den Rückweg in die Küche. Er hielt den Kopf gesenkt, in ratlose Gedanken versunken. Er schaute auf das Messer hinunter, das er schräg hielt, die Klinge nach oben gerichtet, als fasziniere ihn das Licht, das auf dem Stahl blinkte. Anscheinend hatte er es nicht eilig. Sie stieß sich von der Tür ab und sprang die Treppe hinauf, flog hinauf, packte das Geländer, um sich hochzuziehen und noch schneller zu werden. Die Glastür im Schlafzimmer – dahinter war der kleine Balkon. Sie stürzte in das Zimmer, sprang auf das Bett und zerrte am Türriegel, aber der war dick mit Farbe überstrichen und bewegte sich nicht. Draußen auf der Treppe tat Kelvin ein paar schwere Schritte und blieb dann stehen. Als sei er schüchtern oder müde oder als wisse er nicht, ob er ihr folgen sollte oder nicht.
    Sie schlug mit dem Handballen an die Glastür. Da war eine Edelstahlklinke mit einem Schlüsselloch im Deckschild, aber nirgends ein Schlüssel. Verfluchter Mist , sie war abgeschlossen. Wieso stieß sie in letzter Zeit nur noch auf verschlossene Türen? In panischer Hast sah sie sich nach einem Schlüssel um. An der Wand gegenüber stand ein wackliger Kleiderschrank und neben dem Bett ein Nachttisch. Sie riss die Schublade auf. Sah ein paar Schrauben, einen Telefonakku, eine Tube Gleitcreme. Kein Schlüssel. Kelvin kam jetzt weiter die Treppe herauf. Unter seinem Gewicht knarrten die Holzstufen. Zoë sprang vom Bett und stellte sich so auf, wie sie es auf der Polizeischule gelernt hatte. Zur Seite gewandt, mit leicht gekrümmten Knien. Sie atmete langsam und tief und versuchte sich vorzustellen, wie ihr Schwerpunkt immer weiter nach unten sank und sie bereit war, den Angriff abzuwehren. Doch im letzten Moment verlor sie die Nerven. Sie ließ sich vorwärts auf den Boden fallen und robbte unter das Bett.
    Im Laufe der Jahre hatte sie gelegentlich Neuigkeiten über Kelvin gehört: wie er in einem gepanzerten Land Rover unterwegs gewesen und ein Sprengsatz detoniert war, der in einem toten Hund versteckt war. Wie alle Insassen des Wagens außer ihm getötet wurden. Im Irak – ja, da musste das Foto von dem Leichenhaufen aufgenommen worden sein. Eine Zeitlang war sein Unfall überall in den Lokalnachrichten vorgekommen. Sechs Monate nach der Operation hatte er dann in Radstock ein halbwüchsiges Mädchen angegriffen. Angeblich hatte das Mädchen ihn verspottet und ihn »Metalhead« genannt, und er war durchgedreht und auf sie losgegangen, hatte sie an die Wand gedrückt und ihr eine Plastiktüte über das Gesicht gezogen. Später sagte sie aus, er habe dabei seine Hand unter ihren Rock geschoben und in seine Hose ejakuliert, während er sie strangulierte. Diesen Teil der Geschichte hatte er geleugnet, aber trotzdem war er dafür in den Knast gewandert. Die Familie des Mädchens hatte die Army dafür verklagen wollen, dass man ihm diesen Wahnsinn in den Kopf gepflanzt hatte, doch damit kamen sie nicht weit.
    Zoë war Kelvin aus dem Weg gegangen, so gut es ging, als er im Club als Hausmeister gearbeitet hatte. Damals waren Beziehungen entstanden, sonderbare, verkrüppelte Freundschaften, die manchmal wochen-, manchmal jahrelang humpelnd ihren Lauf genommen hatten. Sicher kannte Kelvin daher auch David Goldrab. Und vielleicht war das der Grund, weshalb er jetzt für ihn

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