Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
Werd’s machen, wenn Alice am Wochenende kommt. Mum wird AUUUUUUSTICKENNNNNN!!!!! IIIIIIIIHH!!!
    Hab von so ’nem Mädchen gelesen, das mit seinen Eltern in Goa in Ferien war. Sie hat da so am Strand gesessen, und ein Scout von Storm in London hat sie gesehen. Für ihren ersten Job bei der Agentur hat sie 1.000 Pfund gekriegt, und der Chefredakteur von Vogue hat sie gesehen und auf die Titelseite gebracht. Jetzt wohnt sie in New York, New York!!!! Und dabei ist sie aus Weston-super-Mare, verdammt! Ich seh sie an und denk mir: Wenn die das kann, dann …
    Die nächste Seite war komplett ausgefüllt mit den ineinander verflochtenen Initialen »LW« und »RH«. Auf der Seite danach, am 20. April, stand:
    Hab ihn geküsst!!!!! Ich bin offiziell VERLIEBT!!!!!! Darf es niemandem erzählen. Er sagt, seine Mum bringt ihn um, wenn sie es erfährt. Sie ist eine totale Hexe. Er sagt, er bewirbt sich am University College und am Imperial. Wenn ich also meine total geile Wohnung in Chelsea habe (ha ha!), kann er mich jederzeit besuchen und seine voll beknackte Mutter kann uns mal.
    Zoë blätterte um. Wenn Debbie Harry das und die Kommentare zu seiner dominanten Mutter sähe, würde sie RH hängen und vierteilen. Wer immer er sein mochte.
    Zeb Juice wollen mich sehen!!! Ich fass es nicht. Das ist echt der Hammer. Ich werde auch ein paar von den andern anrufen. Ich zieh meine pinken Highheels und Bluejeans an. Einkaufsliste: »Noodle Head Curl Boosting Spray« und zum Bräunen »St. Tropez Bronzing Mist« – in Marie Claire steht, das ist unschlagbar. £30. Aber, shit, keine Ahnung, wo ich das Geld herkriegen soll. Selbst wenn ich jeden Tag zu Fuß nach Hause gehe und mein ganzes Essensgeld spare, reicht es noch lange nicht …
    Danach kam nichts Geschriebenes mehr. Stattdessen waren die Seiten voll von Blumen und Herzen und Zeichnungen von einem Mädchen – vermutlich Lorne selbst – in Bikinis und hochhackigen Stiefeln. Zoë blätterte die letzten Seiten durch, dann klappte sie das Tagebuch zu und entdeckte dabei eine kleine Tasche auf der Rückseite. Sie schob den Fingernagel hinein und fand einen winzigen Gegenstand. Eine Acht-Gigabyte-Speicherkarte.
    Hastig wühlte sie auf dem Schreibtisch herum, bis sie die Kamera gefunden hatte, zu der sie gehörte, schob die Karte hinein und klickte sich durch die Fotos. Es waren Bilder von Lorne, hier in diesem Zimmer. Nach den unbeholfenen Posen zu urteilen, hatte sie sie mit dem Selbstauslöser gemacht. Auf den ersten dreien stand sie aufrecht im Bikini da. Als Zoë zur vierten und den folgenden Aufnahmen kam, blieb ihr fast die Luft weg. Sie setzte sich aufs Bett. Lorne in Strapsen, Seidenstrümpfen und einem Bustier. Kokett posierte sie so im Schneidersitz auf dem Boden. Auf den letzten beiden hatte sie das Bustier abgelegt und schaute aufreizend in die Kamera. Ihre Zunge lag leicht zwischen den glänzend geschminkten Lippen.
    Zoë klickte sich zweimal durch die Bilder, und eine mächtige Welle der Traurigkeit überflutete sie. Warum tat ein nettes Mädchen wie Lorne so etwas? Natürlich konnte es viele Gründe geben. Vielleicht steckte nichts Ungewöhnlicheres dahinter als ein leicht zu beeindruckendes Schulmädchen, das seine eigene Sexualität erkunden wollte. Oder sie wollte einen Jungen beeindrucken. Aber es konnte auch sehr viel scheußlicher sein. Ein altes Gespenst erwachte plötzlich und trippelte durch die hinteren Winkel ihres Kopfes: Was, wenn Lorne schon früh gelernt hatte, sich selbst nicht zu mögen? Als sie begriffen hatte, dass ihr Bruder in den Augen ihrer Mutter der Star war, hatte sie vielleicht angefangen, einen Fluchtweg zu suchen. Zoë kannte das Gefühl. Vielleicht war es das, was hinter diesen Fotos steckte.
    Draußen schnitt der Lärm von Mr. Woods Motorsäge durch die Stille. Zoë nahm den Speicherchip aus der Kamera, hielt ihn auf der flachen Hand und versuchte zu entscheiden, ob die Fotos wichtig waren – das Tor zu einer ganz anderen Seite von Lorne, von der niemand sprach. Ob sie etwas mit ihrem Traum, Model zu werden, zu tun hatten, und wie verzweifelt sie darauf aus gewesen war, diesen Traum wahr werden zu lassen. Nein, sagte sie sich, wahrscheinlich hatten zahllose Teenager solche Fotos von sich, die sie irgendwo vor Mum und Dad versteckt hielten. Es wäre besser, sie einfach bei dem Tagebuch zu lassen und die Sache zu vergessen. Oder die Speicherkarte zu vernichten.
    Oder sie als Spur bei den Ermittlungen zu behandeln.
    Sie hob den Blick zum

Weitere Kostenlose Bücher