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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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…«
    »Dein Bauch?«
    »Ich hab Krämpfe.«
    »Hast du deine Tage?«
    »Nein … bloß … ich weiß nicht. Mir ist ein bisschen flau.«
    Sally schaute Millie forschend an. Sie hatte nie besonders gut erkennen können, wann ihre Tochter log, aber jetzt hatte sie den Verdacht, dass das, was hier nicht in Ordnung war, mit Millies Bauch nichts zu tun hatte. Sie sah aus, als verberge sie etwas. »Warst du bei der Schulkrankenschwester?«
    Millie schüttelte den Kopf; sie wich Sallys forschendem Blick aus und starrte aus dem Fenster. »Bitte, Mum, kannst du nicht einfach den Wagen holen?«
    »Ist es wegen Lorne? Bist du traurig?«
    »Nein.«
    »Dann wegen Glastonbury? Tut mir leid, aber ich kann meine Ansicht nicht ändern, Millie, mein Schatz.«
    » Nein . Es ist nicht deswegen. Mir ist einfach nicht gut. Ich schwöre .«
    Sally seufzte. »Okay. Ich bin in fünf Minuten hinter der Schule.«
    Sie holte das Auto und fuhr neben den modernen Anbau der neuen Turnhalle. Als Millie herauskam, hatte sie sich den Schulblazer um die Schultern gelegt und hielt den Kopf gesenkt, und sie kam schnell zum Wagen. »Können wir sofort nach Hause fahren?«
    »Du wirst mir erzählen müssen, was los ist.«
    »Bitte.« Sie kauerte sich auf dem Sitz zusammen und zog die Knie hoch. »Bitte, Mum.«
    »Entweder sagst du mir jetzt, was du hast, oder wir fahren zum Arzt.«
    »Nein, Mum, mir geht’s schon wieder besser. Ich will nur nach Hause.«
    Sally legte den Gang ein, rollte bis zum Ende der asphaltierten Ausfahrt und hielt an der Ecke. Sie blinkte links, doch Millie fuhr plötzlich auf dem Beifahrersitz herum und griff ins Lenkrad. »Nein! Warte – warte, Mum, bitte warte. Nicht.«
    »Was ist los?«
    Millie zitterte. Sie war blass, aber Sally wusste, dass es nicht an irgendwelchen Schmerzen lag. Ihre Tochter hatte Angst. »Millie?«
    »Fahr nach rechts. Nach rechts .«
    »Aber nach Hause geht’s nach links.«
    »Wir können hintenrum fahren. Alle meine Freundinnen sind da vorn. Die halten sich ein L vor die Stirn, wenn sie sehen, dass meine Mummy mich abholt. L für Loser.«
    »Da ist doch niemand mehr. Sie sind schon alle weg.«
    »Können wir einfach hintenrum fahren, Mum? Bitte fahr nach rechts.«
    Sally schob den Schalthebel in Leerlaufposition. »Es tut mir leid, Millie, aber ich fahre nach links. Es sei denn, du sagst mir, was los ist.«
    »O Gott !« Millie ballte die Fäuste. »Okay, okay. Lass mich nur … gib mir einen Augenblick Zeit …« Sie rutschte von ihrem Sitz herunter und duckte sich in den Fußraum.
    »Was machst du da?«
    »Da ist jemand. In einem lila Jeep. Er darf mich nicht sehen.«
    »Wer ist das?«
    »Irgendjemand.«
    Millies Gesicht schimmerte weiß vom Boden herauf, und ihre Pupillen waren geweitet. Sie hatte nicht einfach Angst – sie war in Panik. Als sei da ein Monster auf der Straße unterwegs. Sallys Blick richtete sich auf das Telefon in seiner Halterung am Armaturenbrett. Wen sollte sie anrufen? Isabelle? Steve?
    »Bitte, Mum. Können wir irgendwie anders fahren?«
    Sally schluckte und legte den Gang ein. Sie ließ den Wagen aus der Zufahrt rollen und spähte die Straße hinauf und hinunter. Ihre Handflächen schwitzten auf dem Kunststofflenkrad. Auf der Straße war nicht mehr viel los; die Schüler waren tatsächlich verschwunden, aber hinten auf der anderen Straßenseite, die Nase dem Schultor zugewandt, parkte ein seltsam aussehender violetter Allradwagen. Er hatte einen Kuhfänger und einen Riesenauspuff, und die Felgen sahen aus, als seien Dolche darin eingelassen.
    Sally fuhr los.
    »Ist er da?« Millie zog sich den Blazer über den Kopf und duckte sich noch tiefer in den Fußraum. »Ist er da? O mein Gott. Ich bin so was von tot .«
    Sally hielt neben dem violetten Wagen an, mitten auf der Straße, und dann drehte sie sich steif zu ihm um und nahm den Mann in Augenschein. Er hatte eine etwas dunklere Hautfarbe und einen bleistiftdünnen Schnurrbart und sehr glänzendes gegeltes Haar. Er trug ein enges weißes T-Shirt und eine dicke goldene Kette, und er bemerkte sie nicht sofort, denn er behielt das Schultor im Auge. Aber dann spürte er ihre Anwesenheit. Er drehte sich um und sah ihr in die Augen. Langsam fing er an zu lächeln und zeigte einen einzelnen Diamanten, der auf einem seiner Schneidezähne saß. »Was is’?«, formte er mit dem Mund. »Was is’?«
    Sie trat aufs Gas, und der kleine Wagen schoss mit kreischenden Reifen die Straße hinunter. Fußgänger blieben stehen und starrten

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