Atemlos
und wie er wieder einmal rechtgehabt hatte – die Wüste ist sauber, und in der Wüste stinkt der Mensch nicht: Dies war meine erste Dusche seit einem Monat.
Byrne hatte den Toyota auf dem Hotelgelände abgestellt und sich in der Stadt auf die Suche nach seinem Informanten gemacht, den voraussichtlichen Gewinner des Finderlohns von zehn Kamelen. Später stellte er uns zwei Tuareg vor, Atitel nebst Sohn Hami. »Hast du noch die Fotos von der Northorp?« fragte er mich.
»Aber sicher.« Ich holte sie aus meiner Reisetasche.
Er breitete die Bilder aus. »Woher hast du sie?«
»Aus dem Wissenschaftlichen Museum in London. Aus dem Jane-Katalog von 1935, ›Die Flugzeuge der Welt‹, abfotografiert.«
An dem Tisch, auf dem die Fotos lagen, fragte er nun Atitel aus und zeigte dabei immer wieder auf die Northorp-Gamma. Das muß eine der ersten im Luftverkehr eingesetzten Maschinen gewesen sein, denn auf dem Rumpf war das Firmenzeichen TWA zu sehen. Ein elegant gebautes Flugzeug: langgestreckt und schlank, die Kanzel weit zurückgesetzt, fast am Leitwerk. Freilich stammte die Maschine aus einer Zeit, als Kanzeln noch keine Kommandoschaltzentralen waren; das Fahrgestell war noch nicht einziehbar, die Räder daher in einem stromlinienförmigen Chassis untergebracht. Der Bildtext beschrieb die Gamma als einmotoriges Flugzeug für den Fracht- und Postverkehr.
Endlich richtete Byrne sich auf. »Das könnte es sein. Atali sagt, daß ein eiserner Vogel der Kel-Ehendeset oben im Tassili liegt, drei Tagereisen von Tanrit entfernt.«
»Wie weit ist das, und was zum Teufel soll Kel-Dingsbums heißen?«
»Vielleicht siebzig Kilometer. Und die Kel-Ehendeset sind Leute wie du und ich – jeder, der was von Maschinen versteht.« Er sprach kurz mit Atitel und fuhr dann fort: »Er sagt, die Kel-Ehendeset hätten Macht über die angelussen – die Engel. Die angelussen bewegen die Autos und heben die Flugzeuge in die Luft.«
»Klingt logisch. Wo man drei Tage zu Fuß gehen muß, schaffen es die angelussen in sechs Stunden.«
Byrne schoß mir einen unwirschen Blick zu, er meinte wohl, ich müßte dergleichen besser wissen. »Mit dem Toyota schaffen wir's nicht bis auf diese Hochebene dort. Wir werden wohl zu Fuß gehen müssen.« Er pochte auf die Fotos. »Atitel versichert, daß das Wrack im Tassili ganz genauso aussieht. Keine Motoren an den Tragflächen, und der Rumpf zylindrisch, exakt wie auf dem Bild.«
»Dann ist es vielleicht tatsächlich Billson?«
»Vielleicht. Aber die Tuareg halten, wie die Moslems, nicht viel von Bildern. Gegen die Religion. Also haben sie auch wenig Erfahrung mit Bildern. Ich hab' mal einen gekannt, der hat sich in seinem Zelt ein Bild aufgehängt, weil er das so in Europäerhäusern gesehen hatte. Ein Foto aus einer Zeitschrift. Es hing auf dem Kopf.« Er lächelte. »Ein Schiff unter vollen Segeln – aber er hatte noch nie ein Schiff gesehen, nicht mal ein verdammtes Meer; für ihn waren's also nur hübsche Farbkleckse, und die sahen für ihn, auch wenn sie auf dem Kopf hingen, schön aus.«
»Wenn Atitel das Flugzeug gesehen hat, müßte er es doch mit dem Bild vergleichen können?«
»Mein Leben würde ich darauf nicht verwetten. Wir müssen's einfach riskieren. Wir wollen ja nicht umsonst hierhergekommen sein.«
»Wann geht's los?«
Ein großes Palaver fing an, auch mit Hami, der sich wohl ebenfalls zu Gehör bringen wollte; es dauerte eine Viertelstunde, bis Byrne verkündete: »Er sagt, er kann erst morgen aufbrechen, vielleicht auch erst übermorgen, die beiden müssen erst noch ein paar Esel einfangen, die sich verlaufen haben. Das Flugzeug soll fünfzig Kilometer vor Tamrit liegen, am Rand einer Hochebene. Dort schaffen wir kaum mehr als fünfzehn Kilometer am Tag, wir müssen also Wasser für eine Woche, besser für zehn Tage mitnehmen. Das bedeutet Lasttiere und mehr Esel, als er im Augenblick zur Hand hat.« Er wandte sich wieder an Atitel, Geld wechselte die Hände. Als die Tuareg gegangen waren, sagte ich: »Das war doch algerisches Geld!«
Byrne sah mich erstaunt an. »Natürlich. Wir sind ja in Algerien.«
»Wann ist denn das passiert?«
Er grinste sich eins. »Du erinnerst dich an unseren Umweg, um Lash loszuwerden? Damit sind wir auch um die Grenzposten herumgekommen. Macht ja nichts, Max, in Algerien bist du legal.«
»Aber Billson vielleicht nicht.«
Er brummte. »Macht auch nichts. Zwischen hier und Tam liegt viel Wüste, vielleicht hat es sich noch nicht
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