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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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Wüste dort unten, drei Kilometer entfernt, bewegte sich etwas im Sand.
    »Wüstenteufel?« fragte ich. Durch unterschiedlich heiße Luft entstehen in der Wüste diese kleinen Wirbelstürme.
    Byrne sah zur Sonne hin. »Nicht um diese Tageszeit. Ich glaube, wir bekommen Gesellschaft. Es sind zwei.«
    »Aber wie zum Teufel kann Lash wissen, wo wir sind?«
    Byrne zuckte die Achseln. »Wer von Dschanet durch das Tassili will, muß hier vorbei. Das ist der bequemste Weg.« Bequem! »Lash wird in Dschanet herumgefragt haben. Kein Problem, unsere Spur aufzunehmen – ein paar Erkundigungen im Hotel …«
    »Wir hätten uns nicht so auffällig benehmen sollen.«
    »Wie sonst? Man kann in Dschanet nicht Männer und Tiere anheuern, ohne daß es sich herumspricht. Vielleicht sprechen Lashs Leute auch Tamachek – aber selbst, wenn man nur Arabisch kann, findet man mühelos heraus, was man wissen will.«
    Ich blickte die Felswand hinab, dort bewegte sich nichts. »Also gibt's Ärger.«
    »Nicht sehr«, sagte Byrne ungerührt. »Im Dunkeln wagen sie sich nicht in den Fels, und die Sonne geht in einer Stunde unter. Bis morgen werden sie wohl warten müssen. Und bis dahin sind wir verschwunden.« Er warf einen Blick auf Paul. »Sobald er wieder fit ist, machen wir weiter.«
    »Wohin?«
    »Über die Höhen da drüben. Nach Tamrit und Assakaô.«
    Nicht einmal in krankhaften Fieberträumen hätte ich mir eine Landschaft wie das Tassili-n-Adscher vorgestellt. Wir wanderten durch die Flußbetten längst versiegter Ströme, die sich vorzeiten tief in den weichen Sandsteinboden eingeschnitten hatten. Sie bildeten nun Canyons, die Wände von niedrigen Höhlen durchsetzt. Als die Austrocknung einsetzte, nahm der Wind seine Jahrtausendarbeit auf und schmirgelte phantastische Skulpturen, Türme und Säulen aus dem weichen Sandstein heraus; manche ragten nun bis zu siebzig Meter hoch, manche lagen wie gefällte Bäume da – der Wind hatte sie an den Sockeln abgenagt.
    Auf mich wirkte die Landschaft wie ein mißglückter Pfannkuchen, den man lange im Ofen vergessen hat. In der Tat, zu lange war das Tassili nun schon ohne Vegetationsdecke der Gluthitze der Sonne ausgesetzt: geschwärzt der Sandstein, mit einer Patina bedeckt, die Byrne Wüstenbeize nannte. »In manchen Nächten bildet sich Tau auf dem Fels, der zieht dann Eisen und Mangan an die Oberfläche. Bei Tag verdunstet der Tau, und Eisen und Mangan oxydieren. Laß das mal ein paar hundert oder tausend Jahre lang passieren, dann kriegst du leicht eine solch prima Beize zustande.«
    Wie Byrne es vorausbeschrieben hatte, wirkte die Landschaft labyrinthisch: diese Canyons, die einmal Wasserläufe gewesen waren, die sich verbanden, verzweigten, ineinandermündeten, hatten vielleicht ein Delta am Unterlauf eines gigantischen Flusses gebildet. Anfangs mochte er reißend dahingeströmt sein; dann aber, träge vom Schlamm – wie der Nil in seinem Delta –, stürzte er sich vom Tassili-Rand siebenhundert Meter tief ins Unterland hinab, wälzte sich, mitsamt seinem Schlamm, in die Dünenlandschaft des Erg d'Ahmer. Doch nun gab es kein Wasser mehr. Das Land war trocken wie ein Kamelknochen in der Ténéré, nicht gebleicht, sondern von der Sonne versengt, verhärtet wie ein mumifizierter Leichnam.
    Das alles sah ich in der letzten Stunde vor Sonnenuntergang; dann, auf Byrnes Drängen, marschierten wir im Schein einer Lampe und des Mondes noch bis neun Uhr weiter, ehe wir unser Lager aufschlugen. Paul war einem Zusammenbruch nahe, und auch ich hatte mich seit unserer Wanderung durch die Ténéré nicht wieder so erschöpft gefühlt. Zu müde zum Essen, wickelte ich mich in die Dschellabah und legte mich in eine der flachen Felsenhöhlen schlafen.
    Es war schon Tag, als ich aufwachte. Ein dunkelhäutiger Mann starrte auf mich herab. Er trug nur einen Lendenschurz um die Blößen und einen Speer in der Hand. Hinter ihm eine Viehherde – wohlgenährte Tiere mit scheckigem Fell und gespreizten Hörnern. Und im Hintergrund Jäger mit Pfeil und Bogen, etliche schußbereit.
    Ich richtete mich hastig auf und blinzelte aus verschlafenen Augen. Der Mann war nur Farbe an der Höhlenwand, auch das Vieh und die Jäger. Vor der Höhle hockte Byrne und füllte Wasser in den Apparat, den er seinen Vulkan nannte. Hinter ihm befestigte Hami dscherbas am Zaumzeug eines Esels.
    »Luke!« rief ich. »Hast du das gesehen?«
    Er blickte auf. »Zeit, daß du aufwachst. Natürlich hab' ich das gesehen – eine

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