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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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Ihrem Bruder gehört, Miß Aarvik.«
    »Leider nein, Mr. Stafford.«
    »Ich möchte mich mal mit Ihnen über Paul unterhalten. Kann ich vorbeikommen?«
    »Jetzt gleich?« Da war eine leichte Unsicherheit in ihrer Stimme.
    »Die Zeitfrage spielt in diesen Dingen immer eine große Rolle, Miß Aarvik.« Das war eine Platitüde, aber wie ich immer wieder feststellte, wirkt sie ganz hübsch.
    »Also gut«, sagte sie. »Ich erwarte Sie.«
    »In einer halben Stunde.« Ich hängte ein und nahm ein Taxi nach Kensington.
    Es lag wohl am Namen, daß ich mir unter Alix Aarvik eine große, langschädelige Skandinavierin vorgestellt hatte. Sie war klein und dunkel und Anfang dreißig. Die Wohnung war gemütlich, wenn auch sparsam möbliert, und ich fand es interessant, daß Miß Aarvik sich eben auf einen Umzug vorzubereiten schien. Im Flur standen zwei Koffer, ein dritter, noch offen, auf dem Tisch.
    Sie sah, wie ich mich umblickte: »Sie haben mich gerade noch erwischt. Ich bin beim Packen.«
    Ich lächelte. »Eine neue Wohnung?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich wandere nach Kanada aus. Es ist allerdings nur eine Versetzung innerhalb des Konzerns. Ich fliege morgen nachmittag.« Sie machte eine Geste, die dramatisch hilflos wirkte. »Ich weiß nicht, ob das richtig ist. Ausgerechnet jetzt, wo Paul verschwunden ist. Aber ich muß an meine Stellung denken.«
    »Ja, natürlich«, sagte ich. Und fand es überhaupt nicht natürlich. Ihrer Mutter waren hunderttausend Pfund in den Schoß gefallen, aber zu sehen war davon nichts. Weder an Paul Billson noch an Alix Aarvik. Ich machte ein bißchen Konversation, um sie mir dabei genauer anzusehen. Auffällig gut angezogen war sie auch nicht, sie schien eben das Beste aus ihren Mitteln zu machen, und ihr Make-up war auch nicht übertrieben. Mädchen wie Alix sieht man in den Straßen Londons zu Tausenden. Sie war ein typisches Exemplar der Stenographica Londoniensis – der Londoner Stenotypistin.
    Als ich Gloria heiratete, hatten wir nicht die Bohne zum Verschwenden, und bei meinem Aufstieg zu den schwindelnden Höhen des Erfolgs hatte ich nacheinander sämtlichen weiblich-modischen Schnickschnack aller Preisklassen kennengelernt, von den billigen Ausverkaufsröckchen bis zu Pariser Modellkleidern. Nicht, daß sich Gloria überlange in den tieferen Regionen des Modespektrums rumgetrieben hätte – sie hatte ein unwahrscheinliches Talent dafür, Geld schneller auszugeben, als ich es verdienen konnte, was ja auch einer unserer Reibungspunkte war. Aber soviel konnte ich nun immerhin beurteilen: Alix Aarvik kleidete sich nicht wie eine wohlhabende Erbin.
    Ich setzte mich auf den Stuhl, den sie mir anbot, und sagte: »Nun erzählen Sie mir mal was von Paul.«
    »Was wollen Sie wissen?«
    »Beginnen wir mit der Beziehung zu seinem Vater.«
    Sie sah mich überrascht an. »Soweit sind Sie also schon?«
    »Das war nicht schwer.«
    »Er entwickelte so etwas wie Heldenverehrung für seinen Vater«, sagte sie. »Und das, obwohl er keinerlei persönliche Erinnerungen an ihn haben konnte. Paul war erst zwei Jahre alt, als Peter Billson starb. Von dem Flugzeugabsturz wissen Sie?«
    »Da scheint es einige Zweifel zu geben«, sagte ich.
    Kummer zeigte sich in ihrem Blick. »Sie also auch?« Sie schüttelte den Kopf. »Gerade diese Ungewißheit war eine seelische Belastung für Paul. Er wünschte sich immer so sehr, daß sein Vater wirklich tot sei – lieber ein toter Held, als ein lebendiger Schwindler. Verstehen Sie, was das bedeutet, Mr. Stafford?«
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    »Ich habe Paul zu einem Psychiater geschickt. Der Psychiater hat mir gesagt, daß Paul daran zerbricht. Es muß schrecklich sein, einen Mann als Helden zu verehren – den eigenen Vater – und ihm gleichzeitig den Tod zu wünschen.«
    »Eine Neurose also. Welche Formen nahm das an?«
    »Im allgemeinen rasendes Wüten gegen Ungerechtigkeit. Gegen diese clevere Ungerechtigkeit, mit der sich gewisse Leute den Ruhm für anderer Menschen Leistungen unter den Nagel reißen. Paul sammelte Ungerechtigkeiten. Gab es nicht einmal ein Buch mit dem Titel ›Der Ungerechtigkeitssammler‹? Genauso war Paul.«
    »Sie sagen im allgemeinen – und im besonderen?«
    »In bezug auf seinen Vater wirkte sich das so aus: Peter Billson war ungerecht behandelt worden – noch im Tode geschmäht. Sie wissen von dem Prozeß?«
    Ich nickte, und sie sagte: »Er wollte den Namen seines Vaters reinwaschen.«
    Behutsam sagte ich: »Warum

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