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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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ein Internat in Kanada geschickt, anstatt, wie die meisten Töchter reicher französischer Kolonialisten, nach Frankreich. »Aber ich war lange nicht mehr drüben«, sagte sie. Das mochte ihren aus der Mode gekommenen Slang erklären.
    In Kanada hatte sie Peter Billson kennengelernt. »Er war natürlich älter als ich«, sagte sie. »Lassen Sie mich nachrechnen. Das muß 1933 gewesen sein, ich war also siebzehn.«
    Und Billson war dreißig. Hesther machte einen Ferienbesuch bei einer Schulfreundin, als Billson in ihr Leben trat. Sie war bei den McKenzies zu Besuch, bei wohlhabenden Kanadiern, die finanzielle Interessen an der Entwicklung des Luftverkehrs hatten, besonders an Flugverbindungen in die abgelegeneren Teile Kanadas. Billson hatte sich da schon einen Namen gemacht, und so war er von den McKenzies für ein verlängertes Wochenende eingeladen worden, weil man ihn aushorchen wollte.
    Hesther sagte: »Für mich war Paul ein Herrgott. Sie wissen ja, wie Kinder sind. Heutzutage stehen die Teenager auf langhaarige Sänger; seinerzeit waren Piloten die Stars.«
    »Was war er für ein Mann?«
    »Er war ein Mann«, sagte sie schlicht. Sie starrte mit geistesabwesendem Blick in ihre Vergangenheit zurück. »Natürlich hatte er seine Fehler – wer hat keine? –, aber es waren berufsbedingte Fehler. Peter Billson war ein tüchtiger Pilot, er war tapfer und ehrgeizig, ein Exhibitionist, aber so waren die Flugpiloten alle, und alle genossen sie die Verehrung des idiotischen Publikums.«
    »Wie gut kannten Sie ihn?«
    Sie sah mich von der Seite an. »Ungefähr so gut, wie eine Frau nur einen Mann kennen kann. 1933 war das Jahr, in dem ich meine Unschuld verlor.«
    Man konnte sich dieses zähe, lederige Stück Frau nur schwer als schwärmenden, liebeskranken Teenager vorstellen. »War das vor Billsons Hochzeit?«
    Hesther schüttelte den Kopf. »Es war die Hölle für mich, als ich einmal mit Helen bei Kaffee und Kuchen Konversation machen mußte. Ich war überzeugt, daß mir das Brandzeichen der Schuld auf der Stirn glühte.«
    »Und wie lange waren Sie mit ihm befreundet?«
    »Bis zu seinem Tod. Ich hätte damals, 1934, nach Algier heimkommen sollen, aber es gelang mir, meinen Ferienaufenthalt noch um ein Jahr zu verlängern – wegen Peter. Er besuchte mich jedesmal, wenn er nach Toronto kam, dann, 1935, mußte ich doch heimkommen, weil meine Mutter schon drohte, mir keine Schecks mehr zu schicken. Das nächste Mal sah ich Peter dann, als er hier bei der Flugzeug-Rallye London-Kapstadt landete. Das war 1936. Ich stand am Flugplatz. Ich sah, wie er startete. Und ich sah ihn nie wieder.« Ihre Stimme klang öde, als sie hinzufügte: »Ich habe übrigens nie geheiratet, wissen Sie.«
    Danach gab es nicht mehr viel zu sagen. Ich gönnte ihr ein paar Augenblicke Nostalgie, dann brach ich das unbehagliche Schweigen. »Sie werden es mir wohl nicht übelnehmen, wenn ich Sie bitte, mir etwas mehr zu erzählen. Kannten Sie zum Beispiel Peters Flugplan?«
    »Warum soll ich Ihnen das übelnehmen?« sagte sie ein wenig müde. »Aber ich weiß nicht viel. Ich war ein junges Mädchen von zwanzig, müssen Sie bedenken – kein Techniker. Die Northorp war eine aufgemotzte Frachtmaschine, und Jock Anderson hatte im Frachtraum zusätzliche Treibstofftanks installiert. Dem Plan nach sollte Peter von Algier aus nach Kano in Nigeria fliegen. Die Wüstenüberquerung war die schwierigste Etappe, deshalb flog Jock mit einem Mechanikerteam hier ein, um dem Flugzeug noch einmal einen gründlichen Check zu verpassen, ehe Peter startete.«
    »Jock Anderson – wer war das?«
    »Der Chefmechaniker. Peter und Jock kannten sich schon lange. Peter flog die Maschinen und nahm sie hart ran, und Jock sorgte dafür, daß die Apparate zusammenhielten und meinem Peter nicht um die Ohren flogen. Die beiden waren ein gutes Gespann. Jock war ein tüchtiger Mechaniker.«
    »Und was wurde später aus ihm?«
    »Als Peter vermißt wurde, drehte er völlig durch. Ich habe noch nie einen Mann gesehen, der so schnell so betrunken wurde. Drei Tage lang stand er bis zu den Ohren im Alkohol, dann wurde er nüchtern und verließ Algier. Seitdem habe ich ihn nicht mehr wiedergesehen.«
    Ich dachte eine Weile darüber nach, aber das führte zu nichts. »Was halten Sie von Paul Billson?«
    »Ich glaube, er hat eine Meise«, sagte sie. »Hysterisch und verrückt. Kein Vergleich mit seinem Vater.«
    »Und wie haben Sie Paul kennengelernt?«
    »Genauso, wie ich Sie

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