Atemlos
wir auf fünfzig Meter heran waren, rief Mokhtar uns etwas zu. Byrne übersetzte es mir: »Er hat einen Wagen entdeckt. Schauen wir, ob es ein Landrover ist.«
Wir hangelten uns den Felsen hoch, der etwa die Größe einer mittleren Villa hatte. Mokhtar zeigte hinter sich, nach unten. Wir folgten seiner Weisung. Da unten, hinter dem Felsen, lag ein Fahrzeug, ein Landrover. Das heißt, es war einmal einer: völlig ausgebrannt. Von Billson keine Spur, auch von sonst niemandem. Und in diesem Augenblick fiel mir ein, daß ich Billson, selbst wenn er vor mir gelegen hätte, nicht identifizieren könnte. Idiotisch, daß ich kein Foto beschafft hatte.
Byrne sagte: »Der schwarze Rauch kann von den brennenden Reifen gekommen sein. Gehen wir mal näher ran.«
Näher ranzugehen bedeutete, auf dem gleichen Weg, den wir gekommen waren, wieder zurückzuklettern und dann den Felsen zu umrunden. Als der Landrover wieder in Sicht kam, breitete Byrne, der vorausging, die Arme aus, um uns anzuhalten. Er sprach auf Mokhtar ein, er sprach schneller, und Mokhtar ging allein weiter und spähte auf den Boden. Nach einer Weile winkte er, und Byrne ging zu ihm. Wieder ein kurzes Gespräch, dann rief Byrne mich heran.
»Hier war noch ein zweiter Wagen. Die Reifenabdrücke liegen über den Landrover-Spuren. Der zweite Wagen ist in dieser Richtung gefahren.« Er zeigte zu unserem Toyota hin.
»Wo ist Billson?« Mein Mund war trocken.
Byrne nickte zu dem Landrover hinüber. »Wahrscheinlich da drin – was von ihm übrig ist. Schauen wir nach.«
Der Landrover hatte einen Totalschaden. Das ausgeglühte Gehäuse saß auf dem Boden, das Stahlgeflecht der verbrannten Reifen bildete mit den Felgen ein einziges Gewirr. Gestank von verbranntem Gummi waberte noch in der Luft. Die Scheiben waren zerbrochen, das Glas stellenweise geschmolzen, die Windschutzscheibe undurchsichtig. Unmöglich, in den Wagen hineinzusehen. Byrne riß am Türgriff auf der Fahrerseite und fluchte, als er nur den Griff in der Hand hielt. Er ging um das Wrack herum und zog auf der anderen Seite die Tür auf; ich sah ihm über die Schulter.
Der Innenraum war völlig hinüber, die Polsterung verbrannt, nur die geschwärzten Sprungfedern ragten noch hervor; selbst der Plastikbelag des Steuerrads war bis auf den Metallkern verbrannt. Aber nirgends eine Leiche, weder vorn noch hinten.
Wir gingen um den Wagen herum und brachen die Ladetür auf. Da fanden wir dürftige Überreste von etwas, das wohl einmal zwei Koffer gewesen waren. Wieder keine Leiche. Ich sagte: »Vermutlich hat ihn der andere Wagen mitgenommen.«
»Möglich«, sagte Byrne, ohne sich festzulegen. Er stocherte noch eine Weile im Wrack herum, dann richtete er sich auf. »Hatte Paul Billson Feinde?«
»Könnte sein«, sagte ich, und plötzlich fror ich. Nun sprachen auch wir schon von Billson in der Vergangenheitsform – wie seine Schwester in London. »Aber kaum Feinde, die ihn bis mitten in die Sahara hinein verfolgen, um ihn umzulegen.«
»Mmmm«, Byrne gab einen nicht näher zu bezeichnenden Laut von sich und setzte die Untersuchung fort. »Ich habe schon eine Menge ausgebrannter Autos gesehen«, sagte er. Neben dem Wagen lag ein Kanister, den hob er nun auf; er öffnete den Verschluß und roch hinein. »In diesem Kanister war Benzin. Den muß er im Wagen mitgeführt haben, denn als er aufbrach, hatte er keine Kanister außen am Wagen festgezurrt. Der Kanister ist leer.«
»Vielleicht«, sagte ich, »ist ihm ein Unglück passiert, als er auftanken wollte.«
»Wo ist dann die Leiche?«
»Hab' ich doch gesagt – der andere Wagen hat ihn gerettet.«
Byrne trat ein paar Schritte zurück und sah sich wieder den Landrover an. Er sprach mehr zu sich selbst als zu mir. »Also – hundertsiebenundzwanzig Liter im Tank, plus zwanzig im Kanister. Macht hundertsiebenundvierzig. Um bis hierher zu kommen, brauchte er allein schon neunzig. Also war er auch ohne den Brand schon in Schwierigkeiten. Für den Rückweg nach Tam hätte es auf keinen Fall mehr gereicht. Es blieben ihm also noch etwas über fünfzig Liter. Vielleicht fünfunddreißig im Tank und der Rest im Kanister. So ungefähr, würde ich rechnen.«
»Wissen wir, ob der Kanister nicht leer war? Vielleicht hat er schon vor dem Assekrem aufgetankt.«
»In dem Kanister war Benzin. Noch vor ganz kurzer Zeit. Der Geruch ist zu stark. Und als ich ihn aufhob, war der Verschluß noch zu. Wenn aber der Kanister voll war, als das Feuer ausbrach, hätte er
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