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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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Daisy blieb ich auf dem laufenden über das, was in der Welt passierte. Sie hatte die Londoner ›Times‹ abonniert. Die Zeitung war immer längst überholt, bis sie eintrudelte, aber das machte ja nichts.«
    »Was ist aus Daisy geworden?«
    »Alt ist sie geworden«, sagte er schlicht. »Sie ging nach Norden, nach El Golea, und da starb sie dann auch. Gott hab' sie selig.« Er drehte sich um. »Kommen Sie.«
    »Byrne«, sagte ich, »müssen wir wirklich den Berg hochklettern?«
    »Jemanden besuchen, der auf dem Gipfel wohnt«, sagte er, ohne sich nach mir umzuschauen.
    Ich kraxelte hinter ihm her und dachte: Mein Gott, der Öl-Wakefield! Die unwahrscheinlichsten Typen tummelten sich in dieser verdammten Wüste. Wenn man's genau nahm, lief ich auch gerade hinter einem her. Oder sogar zweien, falls man Paul Billson mitzählte.
    Ein einfaches Gebäude stand auf dem Gipfel des Assekrem, drei kleine Zimmer, aus rohem Stein. Zwei Männer lebten hier oben, dunkelhäutig, mit negroiden Gesichtszügen.
    »Nichts anfassen«, sagte Byrne wie nebenbei. »Was hier rumsteht, stammt alles noch von de Foucauld. Reliquien.«
    Er sprach mit den Männern, und ich sah mich neugierig um. Ein schmuckloser Holztisch, ein paar Bücher darauf, ein paar altmodische Stahlschreibfedern, ein ausgetrocknetes Tintenfaß. In der Ecke eine Holzpritsche mit daumendicker Matratze, die mußte so bequem sein wie Beton. An der Wand hing ein Muttergottesbild.
    Byrne trat neben mich. »Billson ist vor drei Tagen unten vorbeigekommen. Es kann auch nur zwei Tage her sein, denn am Tag darauf kam noch ein zweiter Wagen. In welchem Wagen Billson saß, ist nicht auszumachen. Aber ein Wagen kam gestern zurück.«
    »Wir haben keinen gesehen.«
    »Wahrscheinlich auf der anderen Piste – über Akar-Akar.« Er rieb sich nachdenklich das Kinn und sah mich an. Mir fiel auf, daß er im Gespräch mit den beiden Dunkelhäutigen seinen Schleier vom Gesicht genommen hatte. Er sagte unvermittelt: »Ich zeige Ihnen jetzt etwas Erschreckendes. Dann begreifen Sie, warum de Foucauld hier gebaut hat.«
    Er ging zum Haus hinaus, und ich folgte ihm in einen Hof, dessen Boden der gewachsene Fels des Gipfelplateaus bildete. Vor einer Brüstung aus lose aufgeschichteten Steinen wies Byrne nach Norden. »Irgendwo dort treibt sich Ihr Junge herum.«
    Ich hielt die Luft an. Assekrem war nur ein Pickel auf dem Plateau – unter der Brüstung fielen die Felsen schwindelerregend steil ab, und vor uns lag die atemberaubendste Landschaft, die mir je vor Augen gekommen war. Da reihte sich ein Bergzug hinter den anderen, bis sie sich in den blauen Fernen verloren – aber das waren nicht die zahmen Berge des schottischen Hochlandes, nicht einmal die halbzahmen der Schweizer Alpen. Irgendwann in der Vorzeit mußte Mutter Erde hier die schrecklichsten Kämpfe durchlitten haben, schartiges Urgestein hatte ihr mit steinernen Klauen den Bauch aufgerissen – und die erstarrten Klauen ragten noch immer himmelwärts. Nichts war hier regelmäßig, nichts deutete hier, wie einmal die Philosophen sagten, auf den Plan der Natur; soweit das Auge reichte, ein Chaos von Lavafeldern – die verharschten Eiterbeulen erloschener Vulkane, die immer noch unter Messingsonne zu schwären schienen. Ein mörderisches Land.
    »Das ist die Koudia«, sagte Byrne. »Das Land jenseits des Endes der Welt.«
    Ich sagte nichts. Aber wenn de Foucauld sich diesen Ort für seine Meditationen gewählt hatte – hatte er dann zu Gott gebetet oder zum Teufel?

14. Kapitel
    Die dunkelhäutigen Männer waren uns zur Brüstung gefolgt, und Byrne hatte sein Gespräch mit ihnen wiederaufgenommen. Sie gestikulierten viel mit den Händen und zeigten in die Gegend, und nach einiger Zeit schienen die rätselhaften Dinge, um die es sich dabei handelte, zu Byrnes Zufriedenheit geklärt worden zu sein. »Die Männer sagen, irgendwo da draußen hätte es vor zwei Tagen gebrannt.«
    »Was soll denn in dieser Landschaft brennen?«
    »Keine Ahnung.« Er fingerte in seinem Brustbeutel und brachte einen Kompaß zum Vorschein. Er grinste. »Ich habe überhaupt nichts gegen wissenschaftlichen Fortschritt. Unser lieber Mokhtar da unten hält mich immer für ein Genie, wenn er staunend zusieht, wie ich mich in der Wüste zurechtfinde.« Er hielt sich den Kompaß vors Auge und peilte.
    »Wie weit entfernt war das Feuer?«
    »Weiß ich auch nicht. Sie sagen, sie hätten eine Rauchsäule gesehen. Schwarzer Rauch.«
    »Bei Tag?«
    Byrne sah mich

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