Atemlos
zu warten, bis Mokhtar vorbeikommt, dann lassen wir uns per Anhalter auf einem Kamel mitnehmen.«
»Ja«, sagte Byrne, »soweit ganz gut. Bis auf einen Punkt. Mokhtar kommt hier nicht vorbei.«
22. Kapitel
Billson zitterte sich noch lange einen ab. Ich nahm es ihm nicht weiter übel. Jeder hat seine eigene Art, mit der Feuertaufe fertig zu werden, und Paul war ja von Anfang an nicht der Standfesteste gewesen. Für Paul war es vielleicht sogar schlimmer als für Rekruten im ersten Kriegseinsatz – er mußte damit fertig werden, daß irgend jemand es auf ihn persönlich abgesehen hatte. Auf jeder Kugel, die unseren Weg kreuzte, war sein Name eingraviert. Das hätte auch Leute mit dickerem Fell nervös gemacht. Kein Wunder also, daß er nun zu unserem Kriegsrat nichts Wesentliches beitrug.
Freilich, auch Konti vermochte uns kaum weiterzuhelfen. Sicher, er war ein Wüstenfuchs, aber die Ténéré gehörte nicht zu seinen Jagdgründen. Ähnliches galt auch für mich, und da kam erschwerend hinzu, daß ich nicht einmal ein Wüstenfuchs war. Fazit: Entscheidungsfähig war nur Byrne.
Nach der ebenso schlichten wie ergreifenden Feststellung, daß wir mit Mokhtar nicht zu rechnen brauchten, sagte ich nur »Ach!« und wartete im übrigen ergeben darauf, daß Byrne sich einen Ausweg einfallen ließ.
Aber ihm fiel im Augenblick auch nicht viel mehr ein als dieses: »Ein Glück, daß Konti eine dscherba hat – wir werden jetzt wohl ein Stückchen zu Fuß gehen müssen.«
»Wie weit?« fragte ich.
Und er sagte: »Ich hatte diese Strecke gewählt, weil's eine Abkürzung ist, sofern man einen Wagen hat. Die Karawanenstraße verläuft gut zwanzig Kilometer weiter südlich.«
Ich hätte schwören können, daß Byrne sich hinter Fachi von Kamelskelett zu Kamelskelett orientiert hatte – allerdings, auf den letzten Kilometern hatte ich keine mehr gesehen. »Zwanzig Kilometer«, sagte ich erleichtert, »so weit ist das ja nun auch wieder nicht.«
Byrne sagte: »Wir brauchen Wasser unterwegs – soviel wir mitschleppen können.«
»Für einen Spaziergang von zwanzig Kilometern?«
Byrne nahm mich beim Arm und führte mich außer Pauls Hörweite. »Wir werden den ganzen heutigen Tag unterwegs sein und auch morgen den ganzen Tag. Bist du schon mal in weichem Sand marschiert?«
»Nicht sehr weit.« Ich blickte über die Senke zwischen den Dünen hin. »Aber das kann doch nicht allzu schwierig sein.«
Er folgte meinem Blick. »Die Karawanenstraße nach Bilma ist deshalb so viel benutzt, weil sie den Gegebenheiten der Landschaft folgt, da kannst du einigermaßen leicht die Dünentäler entlang marschieren – wir müssen jedoch sozusagen der Landschaft gegen den Strich gehen: die Dünen rauf und die Dünen runter, bis es dir vor den Augen flimmert. Und außerdem haben wir auch noch auf ein paar andere Dinge zu achten.«
»Zum Beispiel?«
Er schüttelte den Kopf. »Das sag ich dir, wenn's soweit ist. Mach dir keine Sorgen um ungelegte Eier. Überlaß das mir.« Aber damit machte er die Lage nur ungemütlicher.
Jedenfalls füllten wir zuerst einmal Wasser aus den Kanistern in die dscherba um. Dann sah Byrne mich von Kopf bis Fuß an. »Wieviel Gewicht kannst du übernehmen?«
Ich erinnerte mich an die Gewaltmärsche in der Militärausbildung, die freilich in unserem mechanisierten Zeitalter nur noch als Abhärtungsübung einen Sinn haben, nichtsdestotrotz war dabei von uns Offizieren stets mehr Leistung als von den Rekruten erwartet worden. Ich peilte also eine tragbare Belastung über den Daumen, verminderte aber eingedenk der Warnung vor dem weichen Sand die Richtzahl hastig nach unten. »Zwanzig Kilo«, sagte ich.
Byrne schüttelte den Kopf. »Zuviel. Je ein gut halbvoller Kanister für dich und Paul, höchstens zwölf Liter für jeden. Konti kann seine dscherba nehmen, das ist er gewöhnt.«
Wir nahmen einen vollen Kanister und teilten den Inhalt auf zwei Kanister auf, dann brachten wir Trageschlaufen an, die wir gut abfütterten, damit sie nicht scheuerten. Anschließend teilte Byrne jedem eine Dschellabah zu. »Nachts wird's kalt!« Der Kanister, den er für sich selbst bereitstellte, war bis obenhin voll – ein mörderisches Gewicht für einen Mann über sechzig, wenn seine Warnungen vor dem Wüstenmarsch zutrafen. Aber ich sagte nichts; er mußte wissen, was er tat.
Wir schlugen uns noch einmal den Bauch voll und stopften uns dann, was noch an Brot, Käse und Fleisch übrig war, in die Brusttaschen unserer
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