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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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Ténéré jedoch brachte diese – seine besten – Eigenschaften zum Vorschein. Wie auch immer: Sowenig er auch für diese Unternehmung körperlich konditioniert war – auf diesem Trip hielt er mit uns durch.
    Als die Sonne unter den Horizont tauchte, hielten wir auf einem Dünenkamm an, und Byrne sagte: »Das reicht. Abschnallen.«
    Die Kanister loszuwerden, die mit jedem Schritt an Gewicht zugenommen zu haben schienen, war eine große Erleichterung. Billson ließ sich, wo er stand, in den Sand fallen; sein Gesicht wirkte selbst im roten Schein der untergehenden Sonne grau. Jetzt fiel mir ein, daß er erst vor ein paar Wochen einen Schuß in die Schulter verpaßt bekommen hatte. »Okay, Paul«, sagte ich. »Ich helf dir.« Ich nahm ihm seine Last ab. »Wie geht's deiner Schulter?«
    »Geht schon«, sagte er dumpf.
    »Laß mich mal nachschauen.« Sein Brustkorb ging auf und nieder, er japste nach Luft, der letzte Aufstieg war fast zuviel für ihn gewesen; er ließ sich von mir das Hemd aufknöpfen. Es war gerade noch so viel Licht, daß ich seine Schulter untersuchen konnte. Die Wunde, die bisher ganz gut verheilt war, glühte nun rot und entzündet. Die improvisierten Tragegurte am Kanister hatten sie wundgeschürft. »Luke«, rief ich, »komm mal her und sieh dir das an.«
    Byrne hockte sich über Paul und untersuchte nun auch die aufgeschürfte Wunde. »Wir trinken zuerst das Wasser aus seinem Kanister«, sagte er.
    »Ich kann auch noch etwas in meinem Kanister übernehmen«, sagte ich.
    »Auch eine Möglichkeit«, sagte Byrne gleichmütig. »Laßt uns erst mal was essen.«
    Das Abendessen war kalt und kaum appetitanregend. Das Licht verebbte im Westen, die Temperatur fiel, und Sterne blinkten auf. »Zieht euch die Dschellabahs an«, sagte Byrne.
    »Wieviel haben wir geschafft?« sagte ich, als ich mir das Gewand umhing.
    »Zweieinhalb Kilometer. Vielleicht drei.«
    »Mehr nicht? Acht oder sogar zehn hätte ich mindestens gerechnet.«
    »Ist eh schon mehr, als ich uns zugetraut habe.« Byrne nickte Billson zu. »Hätte gedacht, er würde uns behindern. Kann auch immer noch passieren. Füll jetzt einen Teil von seinem Wasser um, bevor wir weitermarschieren.«
    »Weiter …? Willst du denn im Dunkeln weitermarschieren?«
    »Aber eisern. Wir haben's verdammt eilig. Keine Angst, ich hab' einen Kompaß. Und später geht der Mond auf.«
    Ich übernahm die Hälfte von Billsons Wasser – Byrne wuchtete sich seinen immer noch randvollen Kanister auf den Buckel. Der Alte versammelte uns um sich. »Es geht jetzt weiter. Bis jetzt habt ihr nicht viel geredet. Das war auch gut so, das spart Luft. Von nun an wird geredet, damit keiner den Anschluß verliert. Wir werden jetzt langsamer vorankommen, aber es geht um jeden verdammten Meter.«
    Er sprach noch mit Konti, wiederholte ihm wahrscheinlich, was er uns gesagt hatte, dann ging er die Düne hinab. Es war verteufelt schwierig in der Dunkelheit; Byrne brummte ständig: »Ho! Ho! Ho!« vor sich hin wie ein geisteskranker Weihnachtsmann, aber so wußten wir wenigstens ständig, wo er ging. Ich fühlte mich stark genug, ein Lied erklingen zu lassen.
    Am Fuß der Düne trieb er uns wieder zusammen, dann durchquerten wir die Senke. Ich fing wieder an zu singen, einen Gassenhauer aus meiner Soldatenzeit.
    »Onkel Vogel und Tante Fisch
Fielen schlapp vom Frühstückstisch.
Laßt euch das 'ne Warnung sein –
schiebt ihn nicht am Morgen rein.«
    Ich unterbrach: »Billson! Alles klar?«
    »Ja, ja«, kam es müde, »es geht schon.«
    Von links her kam ein wieherndes Geräusch aus Kontis Kehle, wie ein Pferd. Byrne grunzte: »Ho! Ho! Ho!«
    »Ovaltine hat sie wieder hochgebracht,
Jetzt tun sie's morgens und bei Nacht
Schon hofft Onkel Vogel: Donnerschlag –
Vielleicht geht's auch noch am Nachmittag.
Und man hört die Englein singen:
Ja, mit Ovaltine wird's gelingen!«
    Billson machte zum erstenmal den Versuch, ein Scherzwort über seine Lippen zu bringen: »Sie waren wohl auch einmal ein Ovalteenager!«
    Ich lief auf Byrne zu. »Soweit die Werbesendung«, sagte er bissig. »Nun wollen wir mal wieder ein bißchen kraxeln.« Und wieder ging's bergauf – langsam.
    Ich weiß nicht, wie lange wir da durch die Dunkelheit gestolpert sind – mir kam's wie Stunden vor. Später erzählte Byrne, es sei Mitternacht gewesen, als er anhalten ließ; damit hätten wir bei diesem sechsstündigen Nachtmarsch knapp fünf Kilometer zurückgelegt. Es kam völlig überraschend, als er auf

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