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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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Ganduras. »Trinkt, bis ihr platzt«, riet Byrne. »Im Körper trägt Wasser sich leichter als auf dem Körper. Jedes Kamel weiß das.«
    Ich fand immer noch, daß wir uns für einen Zwanzig-Kilometer-Masch zuviel Wasser aufhalsten – es sei denn, er sah Eventualfälle voraus, die er uns verschwieg. Das machte mich unruhig.
    Gern beschwöre ich meine Erinnerungen an diese Wüstenwanderung nicht herauf. Doch immer wieder drängt sich mir dieser weiche und dennoch knirschende Sand in den Sinn. Sand. Sand. Sand. Kilometerweit Sand. Jeder Bauunternehmer hätte seine helle Freude an diesem Sand gehabt, denn dieser Sand muß ideal für hochwertigen Zement und Beton sein, und ohne Zweifel wird eines Tages ein schlauer Unternehmer auch Mittel und Wege finden, diesen Sand gewinnträchtig zu exportieren, es ist weiß Gott genügend vorrätig. Aber immer wenn ich heute auch nur das kleinste Fleckchen Sand erblicke, spüre ich wieder das grausame Ziehen dieses verfluchten Kanisters in meinen Schultern.
    Wir kamen noch einmal an der Stelle vorbei, wo Konti mit seinem seltsamen Wurfmesser Bailly gefällt hatte; wir durchquerten die Senke und kletterten die Düne dahinter hoch, dann die nächste, die nächste und wieder die nächste, und alle diese Dünen waren zwanzig bis vierzig Meter hoch – und dabei hatten wir noch Glück, denn die Hänge, die wir hinaufstapfen mußten, waren nicht so steil wie die Abhänge; hätten wir nach Norden marschieren müssen, anstatt südwärts, wäre es noch schlimmer gewesen.
    Ich beobachtete Byrne, wie er vor mir eine Talsenke durchquerte. Jetzt kam ich dahinter, daß der lässige, schlurfende Gang der Tuareg seinen Sinn hatte – für Leute, die sich viel auf Sand bewegten, war es die kräftesparendste Art, von der Stelle zu kommen. Ich versuchte, es nachzuahmen, doch ohne viel Erfolg; das mußte angeboren – oder, wie bei Byrne, in langen Jahren antrainiert – sein. Meine Füße waren nur Großstadtpflaster gewöhnt.
    Und wieder eine Düne hoch, die Füße gruben sich gegen das ständige, gegengewichtige Ziehen der Rückenlast in den Sand, rutschten immer wieder nach hinten weg. Luftholen auf dem Dünenkamm, ein Blick rundum. Für Sandmeer hatte Byrne das Wort erg übersetzt – wie treffend: Wie das Bild einer mitten im Wogengebraus erstarrten, sturmgepeitschten See wirkte die Ténéré-Wüste, nur daß diese Wogen höher waren als die Wellen eines Ozeans; wogender Sand, soweit das Auge reichte.
    Die Sonne sank, warf lange Schatten in die Wellentäler; der Dünengrat, auf dem ich stand, wand sich meilenweit, bis er sich in der flimmernden Ferne verlor. Glatt und weich waren die Dünen, nur von der Bildhauerhand des Windes geformt; kein Fußabdruck, weder von Mensch noch von Tier, verunreinigte dieses Kunstwerk einer lebenabweisenden Natur. Byrne winkte ungeduldig. Torkelnd, rutschend brachten wir den Abhang hinter uns. Wie oft auf dieser qualvollen Wanderung verlor ich bei diesen steilen Abstiegen das Gleichgewicht! Der Kanister auf meinem Rücken schien mich schneller vorwärts zu schieben, als ich die Füße aus dem Sand ziehen konnte; Stolpern, Torkeln, Fallen, Aufstehen. Weiter. Weiter. Zum Glück war der Sand kissenweich – der Sand ja, aber nicht die einzelnen Körnchen; immer wieder schürfte ich mir die Hände wund.
    Wenn ich schon so litt, wie stand dann Billson die Strapaze durch? Ich hatte bisher das mehr oder weniger normale Leben eines Großstädters geführt, der die meiste Zeit im Sitzen verbringt; immerhin hatte ich versucht, mich mit Gymnastik und in meinem Fechtklub in Form zu halten. Paul hatte indessen die letzten fünfzehn Jahre in ein und demselben miesen Büro in Luton geschuftet und fast nichts getan – soviel ging jedenfalls aus meinen Ermittlungen und Befragungen hervor –, um fit zu bleiben. Doch seltsam, auf dieser Dünenwanderung beklagte er sich nicht ein einziges Mal. Stur kletterte er die sandigen Hänge hoch, stur rappelte er sich immer wieder auf, wenn er ins Rutschen gekommen war und stürzte, stur hielt er unser Tempo mit – und das war, da Byrne voranschritt, keineswegs gemächlich. Langsam bildete sich in mir ein Urteil über Paul. Manche Männer sind Sprinter – gut im kurzen Spurt und überlegen in der Krise. Bei Paul war das wohl umgekehrt. In Krisenbewältigung verdiente er nicht einmal die Note ausreichend, aber er war zäh und dickköpfig, wie die jahrzehntelange Besessenheit von seinem Vaterkomplex bewies; der Marsch durch die

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