Atemlos
sagte ich. »Ja, und dann sagten die Leute auch, der Leichnam wäre rausgeholt worden und dieser Billson wäre an einem Sonnenstich gestorben. Aber dann sagten andere Leute, nein, er wäre noch am Leben gewesen, als man ihn fand, aber es hätte jemand auf ihn geschossen. Wie gesagt, lauter unglaubwürdiges Gewäsch. So etwas passiert doch heutzutage gar nicht mehr, meinen Sie nicht? Die Wüste ist doch jetzt ziemlich zivilisiert.«
»Worüber sprechen Sie?« fragte Schäffer. Er grinste. »Ich spreche Tamachek besser als Englisch. Ich höre die ganze Zeit Tamanrasset und Atakor und Assekrem.«
»Ach, es geht da um einen Engländer, der in der Nähe von Tam verschwunden sein soll.«
Kissack machte ein finsteres Gesicht. »Gibt's auch Gerüchte darüber, was schließlich aus diesem Billson geworden ist?«
»Zuletzt habe ich gehört, er läge unter Polizeibewachung in Tam im Krankenhaus – Hausarrest, gewissermaßen. Aber das ist sicher auch wieder nur so ein Gerücht.«
Kissack schwieg und goß sich endlich sein Bier ein. Er dachte scharf nach, fast konnte man sehen, wie sich die Rädchen in seinem Gehirn drehten. Ich wandte mich wieder Schäffer zu und sprach mit ihm – auf deutsch – über die Probleme einer Ténéré-Durchquerung. Einige Zeit später sagte Kissack: »Stafford – Sie heißen doch Stafford, oder?«
»Ja, was ist?«
»Wie sind Sie von Tam hierhergekommen?«
Das war eine verdammt gute Frage. Ich versuchte, mir die Landkarte wieder vor Augen zu führen, und sagte wie nebenbei: »Von Tam aus bin ich nach Djanet geflogen und dann mit der Reisegesellschaft nach Süden gekommen. Warum?«
»Was haben Sie in Tam gemacht?«
»Ich wüßte nicht daß Sie das etwas anginge, aber ich interessiere mich für Charles de Foucauld; ich wollte sehen, wie und wo er gelebt hat.«
Kissack sagte: »Sie sind ein verdammter Lügner!« Er nickte zu Schäffer hin. »Die Reisegruppen, die von Djanet herunterkommen, müssen sowieso durch Tam. Warum also sollten Sie zweimal in Tam gewesen sein?«
Ich stand langsam auf. »Weil ich mich in Agades von der Gruppe trennte und nach Kano weiterreiste. Deshalb. So – und nun stehen Sie von Ihrer verdammten Bank auf und zeigen Sie, daß Sie ein Kerl sind. Lügner lasse ich mich von niemandem nennen!«
Kissack sah zu mir hoch, rührte sich aber nicht. Schäffer sagte: »Was ist los?« Den Wortwechsel hatte er nicht mitbekommen, aber was in der Luft lag, war auch ohne Sprachkenntnisse zu verstehen.
»Dieser Mann hat mich einen Lügner geschimpft!« schrie ich. Plötzlich überkam mich eine solche Wut auf Kissack, daß ich ihm mit bloßen Händen ans Fell wollte. Ich packte ihn am Hemd und riß ihn hoch. Der Tisch stürzte um, Glas zersplitterte am Boden. Kissack griff mit der Hand in seine Jacke; ich rammte ihm meinen Ellbogen in die Rippen und spürte, daß er da eine Waffe hatte.
Schäffer packte mich von hinten und drängte mich zur Seite. »Herr Stafford, machen Sie doch hier keinen Ärger«, sagte er, sein Mund war dicht neben meinem Ohr. »Das Gefängnis hier ist nicht sehr gut.«
Kissack hielt seine Hand unter der Jacke. Ich schüttelte Schäffer ab und drohte Kissack mit dem Finger. »Sie wollen auch keine Polizei hierhaben, stimmt's? Nicht mit diesem Ding da in der Jacke. Da hätten Sie allerhand zu erklären.«
Der Barmann kam mit einem Stück Eisenrohr in der Hand von hinten heran, blieb aber stehen, als Schäffer auf arabisch auf ihn einredete. Kissack zog seine Hand leer aus der Jacke. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Mit flatterndem Blick sah er auf den Barmann. »Das ist sowieso ein verdammt lausiger Laden.« Er steckte seine Hand in die Tasche, zog ein paar Geldscheine heraus und warf sie auf den Boden. Dann ging er. Irgendwo hörte ich jemanden auf deutsch sagen: »Da prügeln sich ein paar Engländer – Besoffene wahrscheinlich.«
»Herr Schäffer«, sagte ich, »sagen Sie dem Wirt, daß ich für den Schaden aufkomme. Ihr Arabisch ist besser als mein Französisch.«
Er nickte und gab ein paar rachenkratzende Sätze auf arabisch von sich. Der Barmann nickte kurz und unfreundlich, hob das Geld vom Boden auf und verzog sich wieder hinter seine Theke. Schäffer sagte: »Brechen Sie hier lieber keinen Streit vom Zaun, Herr Stafford.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht sehr klug von Ihnen.«
»Ich bin provoziert worden«, sagte ich. Ich schaute durchs Fenster und sah Kissack auf den Haufen schmutzfarbener Häuser zugehen, die Bilma
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