Atemlos - Toedliches Erbe
dass er noch am Leben war und in den Tunnels frei herumlief.
Dakota hatte gesagt, seine Zielperson befände sich weniger als fünfhundert Meter vor ihnen. Er konnte zurückgehen, die Stufen hinauf, zurück ins Ossuarium und mit den Touristen hinaus ins Freie. Oder aber er konnte den Weg weitergehen, auf dem er sich befand.
Entweder, er würde seinen Mann finden – und einen Weg nach draußen – oder … eben nicht.
Dakota drehte ihr Haar auf dem Kopf zusammen, nahm die kleine schwarze Perücke aus ihrer Tasche und setzte sie auf, indem sie ihre langen roten Strähnen darunter stopfte wie unter eine Badehaube. Auf der Badezimmerablage fand sie ihren Smith & Wesson. Netter Zug von ihm, ihn dort für sie liegen zu lassen. Mit einem gemurmelten »Ich muss den Verstand verloren haben!« stopfte sie sich die Waffe in den hinteren Bund ihrer Jeans. Das Ding war so
winzig
– dabei hätte sie eher eine … eine Bazooka gebraucht!
Was hatte sich Zak Stark bloß dabei gedacht, als er ihr die .38er am Flughafen Seattle-Tacoma zugesteckt hatte? »Zielen und schießen. Klar, was sonst?«, brummte sie und sah sich dabei um, was sie sonst noch brauchen könnte. Einen Arzt vielleicht? Eine fahrbare Krankentrage? Rands gottverdammtes verschollenes Securityteam? Eine ganze bewaffnete Armee? Einen Trupp Navy- SEALS ? Alles oben Genannte zusammen?
Was sie hatte, war eine GPS -Ortung sowie eine sechs Zoll große Handfeuerwaffe mit gerade mal fünf Patronen.
Ich hoffe nur, die Schurken sind nicht zu sechst
, schoss es ihr mit Galgenhumor durch den Kopf. Sie hatte ihr Lebtag noch keine Waffe abgefeuert.
Die Chancen, dass sie jemanden traf, der weiter als nur ein paar Handbreit von der Mündung entfernt war, standen irgendwo zwischen verdammt gering und nahezu null. »Du bist mit den Alternativen am Ende, Dakota Christina, also Kopf hoch, Frau.« Unschlüssig, ob die S&W trotz ihrer geringen Größe unter ihrem dünnen T-Shirt zu sehen war, zog sie ihre schwarze Windjacke über und stopfte das GPS in die eine und das Handy in die andere Tasche. Dann verließ sie das Hotel und steuerte auf den Eingang der Katakomben zu.
Es herrschte strahlender Sonnenschein, und überall waren Menschen, die sich des herrlichen Tags erfreuten. Sie schlug ein forsches Tempo an, dabei wäre sie am liebsten entweder in Laufschritt verfallen oder aber ins Hotel zurückgekehrt. In den Straßen stank es nach Urin, Zigarettenqualm und Hundescheiße, die einfach mitten auf dem Gehweg – am Ort des Geschäfts – zurückgelassen worden war. Ganz offensichtlich
liebten
die Pariser ihre Hunde ebenso sehr wie das Rauchen.
Mit ihrer dunklen Perücke und der Sonnenbrille gab sie eine wenig bemerkenswerte, erst recht keine auffällige Erscheinung ab – nur eine weitere Touristin in einer Stadt, in der es von ihnen wimmelte. Trotzdem fühlte sie sich, als hätte sie eine riesige rote Zielscheibe auf dem Rücken, und ihre Haut kribbelte vor Nervosität. Die bewegungslos verharrenden Längen- und Breitenangaben in ihrem Kopf zeigten ihr, dass Rand sich nicht bewegt hatte und noch am Leben war. Dasselbe galt für den Schurken. Auch er hatte sich nicht von der Stelle gerührt.
Sie waren irgendwo da unten, gerade mal eine Viertelmeile voneinander entfernt. Dakota war sich nicht sicher, ob der Umstand, dass sie sich gegenwärtig nicht an der gleichen Stelle befanden, Gutes verhieß oder eher nicht.
Nicht
nachdenken, erteilte sie sich selbst einen Rüffel, während ihr Herz heftig pochte und ihre tief in den Jackentaschen vergrabenen Hände immer feuchter wurden.
Denk nicht darüber nach,
aus freien Stücken
in irgendwelche
Katakomben
hinabzusteigen.
Denk nicht an die Millionen Toten, die dort liegen.
Denk nicht an enge, begrenzte Orte.
Denk nicht an sieben Ebenen der Hölle.
Denk. Nicht. An. Klaustrophobie.
Für ein so kleines Ding war die Waffe in ihrem Hosenbund ganz schön schwer. Im Vorgefühl der Angst begannen ihre Achselhöhlen zu jucken. Sie nahm eine Rolle Drops aus ihrer Tasche und schnippte sich ein Karamellbonbon in den Mund, um das trockene Gefühl ein wenig zu lindern.
Denk einfach, du wirst
nicht
dort hinabsteigen, versuchte sie sich gut zuzureden, während die Angst zusehends ihre Schritte lähmte.
Was, wenn du einfach fortgehen würdest? Wenn du Rand dort unten zurücklassen würdest – verletzt oder sonst wie außer Gefecht? Und dann stell dir vor, niemand würde ihn dort unten finden – nie-mals! »Ich hasse mich, wenn ich vernünftig
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