Atemlos - Toedliches Erbe
zurückgeworfen, sodass sie sich wie im Innern der Bronchien eines riesigen Tieres vorkam. Wurde die Luft etwa schwerer? Auf jeden Fall wurde das Atmen immer beschwerlicher.
Sie redete sich noch einmal ein, dass es reichlich Sauerstoff gab und dass sie tatsächlich imstande war zu atmen. Gott, sie wollte nichts als raus hier. Auf der Stelle. Den Lichtkegel auf ihre Füße gerichtet, tastete sie sich Schritt für Schritt voran, bis sie den schwindelerregenden Abstieg endlich bewältigt hatte und am Fuß der Treppe ankam. Bereits im Begriff, von der letzten Stufe herunterzutreten, schwenkte sie den Lichtkegel über den Boden. Zentimeter von der Stelle entfernt, auf die sie gerade noch ihren Fuß setzen wollte, lag eine menschliche Hand.
Sie erstarrte – zu verängstigt, zu schockiert, um einen Schrei hervorzubringen. Gütiger Gott … Rand? Sie musste jede Unze ihrer inneren Kraft aufbieten, um sich überhaupt von der Stelle zu rühren.
Sie hob ein Bein und trat über den ausgestreckten Arm am Fuß der Treppe hinweg. Ein weiterer Schwenk ihrer Lampe brachte Mark Stratham ans Licht, die blicklosen Augen offen, ein großes, blutiges Loch seitlich am Hals. Sein Hemd war blutgetränkt.
»Tut mir wirklich leid.«
Leid, dass du tot bist. Dass ich dich nicht ausstehen konnte.
Würde ihn bald jemand finden, oder würde er hier jahrelang unentdeckt liegen bleiben? Sie rieb sich die Arme, froh selbst über den dünnen Schutz, den ihre Jacke bot.
Unterdessen bewegten sich Rands Daten in ihrem Kopf langsam vor ihr her. Es war gar nicht so einfach, Hams Leichnam auszuweichen, denn der Gang war nicht nur eng, sondern auch dunkel und unheimlich, und Ham war ein Hüne von einem Mann … gewesen. Nachdem sie – im wahrsten Sinne des Wortes – die Hürde von Strathams Leichnam genommen hatte, verfiel Dakota in Laufschritt, um den Abstand zwischen sich und Rand zu verringern.
Der Tritt in eine Wasserpfütze brachte sie kurz aus dem Konzept; sie streckte eine Hand vor, um sich abzustützen. Schleimige Feuchtigkeit sickerte aus der Wand. Sie verzog das Gesicht, wischte sich die Hand am Hosenbein ihrer Jeans ab und lief weiter. Sie beschleunigte nochmals ihre Schritte, als sie Stimmen und Rufe hörte – ein sicheres Zeichen, dass ganz in der Nähe Leute waren.
Zunächst dachte sie, der wummernde Rhythmus des Herzschlags in ihren Ohren hätte sich verändert, während sie sich den Gang entlangbewegte. Nach einigen Minuten wurde ihr allerdings klar, dass es nicht ihr eigener unregelmäßiger Herzschlag war, den sie hörte, sondern das schwache Geräusch von Musik. Keine Melodie, sondern das tiefe, nachhallende
Bumm-Bumm-Bumm
eines Basses, untermalt von lautem Johlen und Gelächter.
Sie verlangsamte ihre Schritte, blieb schließlich ganz stehen und lauschte. Eindeutig Musik und Stimmen. Feierte da jemand eine Party? Hier unten, mehrere Ebenen unter den Straßen von Paris? Sah ganz so aus.
Das schwache Schimmern eines helleren Schwarztons wies auf eine Lichtquelle hinten in einem Seitengang hin. Da sie wusste, dass Rand sich irgendwo ganz in der Nähe befinden musste, bog Dakota nach links ab und hielt auf die winzige, stecknadelkopfgroße Lichtquelle zu.
Zu ihrer Enttäuschung landete sie in einer Sackgasse, wo ein vertrackter schwarzer, wie ein großes Fenster in die Wand eingelassener Metallrost sie am Weitergehen hinderte. Das Geräusch von Stimmen ließ sie näher herantreten. Die Beleuchtung hinter dem Rost warf goldene Lichtpunkte auf die angrenzende Wand. Neugierig geworden, spähte Dakota durch eine der winzigen Öffnungen.
Auf der anderen Seite befand sich ein großer Raum. Nein, eigentlich nicht bloß irgendein Raum, vielmehr sah er aus wie eine Bar – eine Art Klub mit gedämpftem Licht und über den schwarz glänzenden Fußboden verteilten, lehnenlosen weißen Ledersofas.
Ihr stockte der Atem, als sie sah, was sich auf den niedrigen Sofas, auf dem Fußboden und dicht vor den Wänden abspielte: Ein Dutzend oder mehr Paare hatten miteinander Sex – lebhaft und überaus
geräuschvoll.
Oh, verdammt. Jetzt geht das schon wieder los.
Abgelenkt von dem Anblick, der sich ihr dort bot, brauchte Dakota ein paar Augenblicke, um zu erkennen, dass nicht nur Rands GPS -Daten sich nicht von der Stelle rührten – und sehr nah waren –, sondern auch die des Kerls, den zu finden er hier hinabgestiegen war. War einer von diesen ineinander verschlungenen Leibern etwa Rand?
Sie schob ihr Gesicht noch näher an den Rost
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