Atevi 1 - Fremdling
Lehrer.«
»Sie kennen den Attentäter?« fragte Bren verwundert.
»Wir sind uns gelegentlich über den Weg gelaufen.«
»In Shejidan?«
»Er ist der Sohn einer angesehenen Familie.« Banichi nahm einen Schluck aus seinem Glas und starrte ins Feuer. »Jago begleitet den Leichnam und wird der Gilde Bericht erstatten.«
Kein guter Tag, dachte Bren; er hatte seinen Appetit aufs Abendessen verloren. Was mochte Banichi durch den Kopf gehen? Wie stand es um seine Verantwortung gegenüber Tabini oder der Gilde oder diesem Mann? Wo lag sein Man’chi jetzt? »Es tut mir sehr leid«, war alles, was Bren dazu sagen konnte.
»Sie haben das Recht auf Vergeltung.«
»Darauf verzichte ich. Ich habe diesen Streit nicht gewollt.«
»Aber jetzt ist er da.«
Bren ließ verzweifelt den Kopf hängen. Sein Magen rumorte. Die Zähne schmerzten. Zu sitzen war ihm eine Qual. »Banichi, ich will nicht, daß Sie oder Jago deswegen in Gefahr geraten, daß noch jemand zu Tode kommt.«
»Die anderen wollen’s, Nadi. Das ist jetzt sonnenklar. Um derentwillen hat sich ein Profi von seiner Gilde abgewandt und das Gesetz gebrochen. Dazu kann nur sein Man’chi motivieren. Wem hat es gegolten? Das müssen wir nun herausfinden.«
»Warum schalten wir nicht die Gerichte ein?«
»Das würde alles nur verschlimmern«, antwortete Banichi. »Die Gegenseite braucht nur bekanntzugeben, daß man sie beleidigt oder geschäftlich geschädigt hat. Wie wollen Sie sich dagegen zur Wehr setzen? Ihnen als Mensch traut im Zweifelsfall keiner über den Weg. Und überdies ist das Gericht nicht in der Lage, die Drahtzieher ausfindig zu machen.«
»Zählt denn mein Wort so wenig? Mein Man’chi gilt dem Aiji. Daran ist nicht zu rütteln, und das sollte jeder wissen.«
»Wie wollen Sie das beweisen?« entgegnete Banichi. »Nicht einmal ich bin restlos überzeugt davon. Ich weiß nur, was Sie mir sagen, Nadi.«
»Ich bin doch kein Lügner, Banichi«, ereiferte sich Bren. »Ich habe mich doch nicht fünfzehn Jahre lang abgestrampelt, um Ihnen als Paidhi was vorzumachen.«
»Fünfzehn Jahre?«
»Ausbildung, ja. Um zwischen Atevi und Menschen zu vermitteln. Ich lüge nicht, Banichi!«
Banichi musterte ihn, ohne mit der Wimper zu zucken. »Niemals? Ich dachte, das gehört zu Ihrem Job.«
»Jedenfalls nicht in dieser Sache.«
»Wann denn? In welchen Fällen darf gelogen werden?«
»Ach, finden Sie heraus, wer ihn angeheuert hat.«
»Er hat sich nicht einfach bloß anheuern lassen. Zu einer so riskanten Tat zwingt kein Vertrag.«
»Was hat ihn dann gezwungen?«
Banichi antwortete nicht. Er starrte unverwandt ins Feuer.
»Was, Banichi, was?«
»Ein Toter läßt sich nicht danach befragen. Ich wünschte, Cenedi hätte weniger gut getroffen.«
»Es war also Cenedi, der ihn erschossen hat.« Bren zeigte sich erleichtert. Daß Cenedi und Ilisidi auf seiner Seite standen, war nun für ihn erwiesen.
Banichi aber schien voller Bedenken zu sein, zumindest was den Ausgang der Schießerei im Hof anging.
»Sie sind besorgt, wie’s scheint«, sagte Bren.
»Ich bin unzufrieden mit der Kontrolle der Zufahrten. So geht das nicht weiter.«
»Glauben Sie, daß er mit den Touristen gekommen ist?«
»Möglich.«
»Werden die Führungen jetzt eingestellt?«
»Viele haben schon vor Monaten gebucht. Das würde Ärger machen.«
»Diese Leute waren in Gefahr, Banichi.«
»Nein, nicht durch den Attentäter und nicht durch uns.«
Finesse. Biichi-gi.
»Aber all die Kinder. Sie haben mitansehen müssen, wie ein Mann erschossen wurde.«
Banichi sah ihn an, als wartete er auf einen Zusatz, der das Gesagte erklären würde.
»Ich finde das scheußlich. Die glaubten bestimmt, ein Machimi zu sehen, einer Fernsehshow beizuwohnen.«
»Dann wird niemand Probleme damit gehabt haben. Oder?«
Bevor sie auf dieses Thema näher eingehen konnten, kamen Djinana und Maigi mit dem Abendessen: einer Auswahl verschiedener Speisen. Saisongemäßes und Scheiben der übriggebliebenen geräucherten Keule. Banichi war sichtlich angetan von dem, was auf dem Tisch des Speisezimmers serviert wurde. Der mörderische Vorfall schien ihn nicht weiter zu belasten.
Der Koch hatte verschiedene Früchte kunstvoll zubereitet. Weniger appetitlich fand Bren den präparierten Tierkopf, der als Deckel für den Eintopf diente. Banichi hob ihn bei den Ohren ab und ließ ihn dankenswerterweise unterm Tisch verschwinden. »Köstlich«, sagte Banichi.
Lustlos stocherte Bren auf seinem Teller herum. Nach
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