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Atevi 1 - Fremdling

Atevi 1 - Fremdling

Titel: Atevi 1 - Fremdling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Ingenieure können nur Näherungswerte ermitteln. In diesem Sinne nähern wir uns der Natur. Wenn wir Fehler machen, korrigiert sie uns. Was aber selten der Fall ist. Unsere Zahlen sind gut, wenn auch nicht perfekt.«
    »Der Krieg hat ein Beispiel dafür geliefert.«
    »Ja, ein schreckliches Beispiel. Aber wir können daraus lernen. Ich habe Jago mindestens zweimal unwissentlich beleidigt, aber sie ist gelassen geblieben und gab mir dadurch die Möglichkeit, meinen Fehler einzusehen. Banichi hat mich schwer enttäuscht, doch ich weiß, daß das nicht seine Absicht war, und werde ihm weiterhin verbunden bleiben. Solange Bereitschaft für ein friedliches Zusammenleben erkennbar vorhanden ist, können wir duldsamer miteinander umgehen.«
    Cenedi starrte ihn an. Seiner Miene glaubte Bren ablesen zu können, daß er in Gefahr war, einen schweren Fehler zu begehen. Hoffentlich, dachte er, weiß Banichi, wo ich gerade bin.
    »Tja«, sagte Cenedi. »Es scheint, daß jemand die Geduld verloren hat. Auf Sie ist ein Anschlag verübt worden.«
    »Was leider nicht zu leugnen ist.«
    »Können Sie sich erklären, warum?«
    »Ich habe keine Ahnung, Nadi. Ich wüßte keinen konkreten Grund, bin mir aber darüber im klaren, daß die Menschen allgemein bei manchen schlecht gelitten sind.«
    Cenedi öffnete die Schublade und brachte eine große Schriftrolle zum Vorschein, verschnürt mit den rotschwarzen Bändern des Aiji-Hauses.
    Von Ilisidi, dachte Bren mit ungutem Gefühl, als Cenedi ihm das Papier zu lesen gab. Er rollte es auseinander und erkannte die Handschrift auf den ersten Blick. Es war die von Tabini.
    Ich schicke Ihnen, ’Sidi-ji, einen Gast ins Haus, um ihn zu schützen vor feindlich gesinnten Kräften, die sich mir nicht zu erkennen geben, Ihnen aber, wie ich vermute, bekannt sein dürften. Daß sich diese zu Handlungen entschlossen haben, die Sie persönlich in Ausnahmefallen selbst für notwendig erachten würden, will ich Ihnen nicht zum Vorwurf machen.
    Was hatte das nun zu bedeuten? Bren traute seinen Augen kaum. Er las den Satz noch einmal, um zu begreifen. Drohte Tabini seiner Großmutter oder unterstellte er ihr, daß sie mitverantwortlich war für das Attentat auf den Paidhi?
    Aber warum hatte Tabini ihn dann hierher geschickt?
    Ich entlaste Sie, wertgeschätzte Feindin, von der Bürde dieser vermeintlichen und gefährlichen Notwendigkeit, indem ich den Paidhi in Ihre Obhut stelle, denn ich weiß, daß von allen, die mich bekämpfen, Sie, ’Sidi-ji, die einzige sind, die sich meiner Politik und dem Vertrag nicht aus Haß oder persönlichem Machtstreben widersetzt, sondern aus lauteren Beweggründen.
    Weder ich noch meine Agenten werden Sie daran hindern, über den Paidhi-Aiji Erkundigungen einzuziehen und frei zu verfügen. Ich bitte Sie lediglich darum, mir mitzuteilen, welchen Eindruck Sie von ihm gewonnen haben.
    Frei verfügen? Tabini, Tabini, um Himmels willen, was tun Sie mir an?
    Meine Agenten sind angewiesen, vor Ort zu bleiben und dennoch Abstand zu wahren.
    Mit tiefempfundenem Respekt, Tabini-Aiji
    An Ilisidi von Malguri, auf Malguri in der Provinz Maidingi…
    Ihm zitterten die Hände. Er las den Brief ein zweites, ein drittes Mal, ohne einen neuen Aspekt zu erkennen. Es war Tabinis Handschrift, sein Siegel, kein Zweifel.
    Fälschung war ausgeschlossen. Bren versuchte auf die Schnelle, den Wortlaut auswendig zu lernen, doch bald verschwammen ihm die verschnörkelten Buchstaben vor Augen. Er rief sich zur Vernunft, die ihm sagte, daß Tabini ein Ateva war und den Begriff der Freundschaft nicht kannte, sich davon also auch nicht leiten lassen konnte. Daß er im Interesse der Atevi handeln mußte, und zwar als Ateva, auf eine Weise also, die mit menschlichen Maßstäben nicht zu fassen war.
    Die Vernunft sagte, daß er, Bren, zu einer angemessenen Interpretation der Worte des Aiji nicht fähig war; und sie sagte, daß er hier auf Malguri in äußerster Gefahr schwebte. Ein wenig Hoffnung war nur aus dem Hinweis zu schöpfen, daß Banichi und Jago den Auftrag hatten, ihm auf Malguri nicht von der Seite zu weichen. War womöglich Tabini gezwungen worden, seinen Paidhi zu verraten? Versuchte er ihm für den Ernstfall durch Banichi und Jago eine Hintertür zur Flucht offenzuhalten?
    Doch all das waren vage, abwegige Spekulationen. Falls Tabini tatsächlich den Paidhi zu opfern und den Fortschritt, der aus Mospheira kam, auf Eis zu legen bereit war, ließ sich mit Bestimmtheit nur eines schließen: daß es

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