Atevi 1 - Fremdling
Thema, nämlich dem Waffenfund, ablenkte, um ihn, Bren, entspannen zu lassen. Aber das Gegenteil war der Fall. Ihm wurde zunehmend unbehaglich zumute. Außerdem reichte die gestellte Frage in politische Dimensionen, die wiederum viel Sprengstoff in sich bargen. Cenedi schien eine Bejahung zu erwarten, die er ihm aber vorenthalten mußte. »Ich hoffe es. Mehr kann ich dazu nicht sagen.« Er nahm einen Schluck Tee. »Dafür setze ich mich mit aller Kraft ein, doch letztlich entscheiden darüber die Aijiin und die Präsidentin.«
»Glauben Sie, daß das Fernsehinterview ein Schritt in diese Richtung ist?«
War dies der Knackpunkt? Publizität? Tabinis Kampagne für die Öffnung nach Mospheira? »Um ehrlich zu sein, ich bin über den Ablauf sehr enttäuscht, Nadi Cenedi. Das Interview war leider sehr oberflächlich. Ich hätte gern noch einiges gesagt. Doch die mir wichtigen Fragen sind nicht gestellt worden. Mir ist auch nicht klar, wozu dieses Gespräch gut sein sollte, und ich furchte, daß meine Äußerungen falsch ausgelegt werden könnten.«
»Wenn ich recht verstanden habe, ist eine Sendefolge in monatlichen Abständen geplant. Der Paidhi spricht zu den Massen.«
»Davon weiß ich nichts. Und es liegt auch nicht an mir, darüber zu entscheiden.«
»Das letzte Wort behalten sich Ihre Vorgesetzten vor?«
»Ja, so ist es.«
»Sie sind nicht autonom?«
»Ganz und gar nicht.« Das alte Mißverständnis der Atevi, wonach die Paidhiin aus eigener Verantwortung Vereinbarungen treffen und einhalten, hatte der Hof von Shejidan längst ausgeräumt, und davon mußte auch Cenedi erfahren haben. »Zugegeben, es kommt praktisch kaum vor, daß sich ein Paidhi mit seinen Vorstellungen nicht durchsetzt auf Mospheira, denn er verlangt in der Regel nur das, was sein Rat auch billigen kann. Es gibt natürlich auch Kontroversen, bei denen sich am Ende die Meinung des Paidhi durchsetzt.«
»Sind Sie für regelmäßige Interviews? Werden Sie sich dafür einsetzen?«
Ilisidi vertrat ihrem Alter gemäß streng konservative Vorstellungen. Vielleicht hatte sie Anstoß genommen an den Fernsehkameras auf Malguri; es ging ihr auch bestimmt gegen den Strich, daß einem Paidhi Zugang zu den Medien gestattet wurde. Tabini würde von ihr sicherlich einiges darüber zu hören bekommen.
»Ich bin mir noch unschlüssig und möchte die Reaktion des Publikums abwarten. Es ist noch fraglich, ob Atevi überhaupt einen Menschen im Fernsehen sehen wollen. Vielleicht mache ich den Kindern Angst.«
Cenedi lachte. »Ihr Gesicht ist schon des öfteren auf dem Bildschirm aufgetaucht, nand’ Paidhi, eingeblendet zu Meldungen wie: ›Der Paidhi diskutierte mit dem Bauminister über das Schnellstraßenprogramm‹ oder: ›Der Paidhi stellt eine technische Neuentwicklung in Aussicht…‹«
»Aber das waren nur Fotos. Keine Interviews. Ich kann mir nicht denken, daß es die Öffentlichkeit interessiert, den Paidhi stundenlang über die Vorzüge integrierter Schaltkreise referieren zu hören.«
»Das würde ich nicht sagen. Da geht’s doch um Geometrie und Zahlenverhältnisse. Die Numerologen und alle, die sich dazu rechnen, würden sämtliche Telefondrähte heiß werden lassen und verlangen: ›Wir wollen den Paidhi sprechen. Er soll uns sagen, welche Zahlen für integrierte Schaltungen relevant sind.‹«
Bren wußte auf Anhieb nicht einzuschätzen, ob Cenedi scherzte oder nicht. Nur seit wenigen Tagen vom Bu-javid entfernt, hatte er schon vergessen, wie intensiv und leidenschaftlich Numerologen ihr Hobby ausübten. Doch dann stand für ihn fest: Cenedi hatte sich bloß lustig gemacht, so wie es auch Tabini tat, dem diese besessenen Zahlenmystiker nicht selten auf die Nerven gingen.
»Ja, es könnte leider durchaus sein, daß meine Vorschläge von vielen Leuten zahlenmäßig negativ ausgelegt werden«, sagte Bren ernsthaft. »Bei einigen ist das offensichtlich der Fall.« Und in abruptem Schwenk auf ein näherliegendes Thema: »Übrigens, Nadi, war diesmal wirklich eine durchgebrannte Sicherung Ursache für den Stromausfall?«
»Ich glaube, es hat irgendwo einen Kurzschluß gegeben. Die Sicherung springt immer wieder raus. Man versucht zur Zeit, die defekte Stelle zu finden.«
»Jago hat von Banichi eine Nachricht erhalten, durch die sie merklich verstört worden ist. Das bedrückt mich, Nadi. Wissen Sie, was dahinter steckt? Ich dachte, Sie hätten mich vielleicht deswegen kommen lassen.«
»Banichi arbeitet mit dem Hauspersonal zusammen. Ich
Weitere Kostenlose Bücher