Atevi 1 - Fremdling
keine Hilfe mehr, oder aber Banichi kreuzte unvermittelt auf. Doch auf wessen Seite er sich schlagen würde, war nicht ausgemacht. Bren hatte seine letzte Chance leichtfertig verspielt in dem sinnlosen Versuch, sich mit zwei Atevi anzulegen. Aber vielleicht, wenn es ihm gelänge, sich nur für einen Moment lang loszureißen und, statt selbst eingesperrt zu werden, die Tür vor den beiden würde zuschlagen können…
Nein, daraus konnte nichts werden. Schon stießen sie ihn durch die Tür in die Zelle. Es schien, als wollten sie ihn hier sich selbst überlassen. In seiner Verzweiflung hoffte er, doch noch kehrtmachen und davonrennen zu können, sobald sie von ihm abließen.
Aber der Kerl hielt die Fessel gepackt und stieß ihn mit dem Rücken gegen die Wand, während der zweite den freien Arm umklammerte. Bren trat aus, was zur Folge hatte, daß ihm ein Knie in den Unterleib gewuchtet wurde.
»Das passiert nicht noch mal. Verstanden?« sagte der eine und zwang ihn zu Boden, worauf der andere Brens ausgestreckte Arme an eine metallene Querstange band, von den Händen bis zum Ellbogen.
Benommen vom Tritt in den Unterleib, schnappte Bren nach Luft. Ihm fiel nichts anderes mehr ein, als ›verdammt‹ zu fluchen. Die Querstange, an der er hing, war für widerspenstige Atevi angebracht worden, viel zu hoch für einen Menschen. Sein Hinterteil schwebte in der Luft, und er konnte die Beine nicht anwinkeln, um auf den Fersen zu sitzen – oder um kauernd Schutz zu finden, wenn man ihn, wie zu befürchten war, in die Mangel nehmen würde.
Die beiden wandten sich wortlos ab und klopften im Weggehen ihre Kleider aus, was offenbar keinen anderen Zweck hatte, als Verachtung zum Ausdruck zu bringen. Bren fürchtete, daß sie die Tür schließen und ihn in totaler Dunkelheit zurücklassen würden. Doch die Tür blieb offen, und er sah sie im Vorraum verschwinden. Den einen hörte er sagen, daß er sich jetzt einen Drink verdient habe. Dann waren nur noch ihre Schritte auf der Treppe zu hören, und wenig später fiel die Kellertür ins Schloß.
Im Anschluß daran: nichts als Stille.
Zu Beginn des Studiums war ihm gesagt worden, daß in auswegloser Lage der Freitod letzte Amtspflicht sei, um einer Folter vorzubeugen und der Gefahr, Geheimnisse preisgeben zu müssen. Diese ultimative Forderung an den Paidhi stammte aus einer Zeit, da der Vertrag permanent bedroht war aufgrund der immer wieder aufflammenden Machtkämpfe zwischen rivalisierenden atevischen Verbänden.
Daß er einmal in eine solche Lage geraten könnte, hatte Bren nie für möglich gehalten.
Im Zuge seiner Ausbildung waren ihm nach altem Lehrplan etliche Methoden der schmerzfreien Selbsttötung beigebracht worden – für den unwahrscheinlichen Fall aller Fälle, wie es hieß. Doch nach wie vor war diese letzte Konsequenz gefordert, denn es galt den Frieden zu wahren, weshalb auf spektakuläre Rettungsversuche verzichtet werden mußte.
Dabei gab es überhaupt nichts, was er hätte ausplaudern können, abgesehen von jener Information, die Tabini zu Fall brächte. Der Paidhi hatte längst den Überblick verloren über die neuesten technischen Entwicklungen; ihm wurden von seinem Büro auf Mospheira immer nur spezifische Produkte oder Verfahrenstechniken vorgestellt, die er dann atevischen Experten zu erklären hatte. Von den Forschungen in sensiblen Bereichen hatte er keine Ahnung, weshalb ihm auch niemand irgendwelche Informationen darüber entlocken konnte.
Aber bedrohlich genug war die Aussicht, daß man ihn politisch mißbrauchte und zu Äußerungen zwang, die, verdreht und aus dem Kontext gerissen, für verheerende Schlagzeilen sorgen würden oder schlimmer noch: ihm zu den Bildern des Fernsehinterviews nachträglich in den Mund gelegt werden könnten.
Cenedi hatte seine Antworten auf Band, also auch seine hartnäckige Leugnung, irgend etwas mit der Pistole zu tun zu haben. Bild- und Tonmaterial waren vorhanden, um ein beliebig verzerrtes Porträt von ihm zu kolportieren.
Verdammt, dachte er. Er hatte alles verpfuscht. Hanks würde seinen Posten übernehmen, ausgerechnet sie, die völlig ideenlos und untauglich war. Wenn man doch wenigstens jemand anders einstellte, jemanden, der erkannte, daß Tabini immer noch die beste Wahl war.
Was seine Vorgänger und er in jahrelanger Kleinarbeit mühsam aufgebaut hatten, wäre nur noch Makulatur, wenn Tabini gestürzt, von Menschenfeinden abgelöst und Deana Hanks als Paidhi fungieren würde. Und die Hardliner
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