Atevi 1 - Fremdling
verdächtiges Geräusch hörte, rief ich die Wachen.«
»Steht Banichi jede Nacht vor Ihrer Tür in Bereitschaft?«
»Das weiß ich nicht. Vielleicht war er zufällig gerade in der Nähe. Ich habe nicht danach gefragt.«
»Nadi, Sie lügen. Und damit ist niemandem geholfen.«
»Was geschehen ist, können nur drei Personen wirklich wissen: ich, Banichi und der Mann auf der Terrasse. Das waren doch wohl nicht Sie, Cenedi-ji? Oder?«
»Natürlich nicht. Ich bediene mich anderer Methoden.«
Vielleicht sollte das ein Witz sein. Bren aber hatte dafür keinen Sinn. Er zermarterte sich das Hirn. Woher bezog Cenedi seine Informationen? Wieviel wußte er wirklich? Und was führte er im Schilde? Versuchte er, einen Tatbestand zu konstruieren, um Klage zu erheben? Es gab Gesetze gegen Kidnapping und Freiheitsberaubung, aber keines, das Tabini verboten hätte, seinen Paidhi nach Malguri zu schicken.
»Sie können sich also angeblich nicht erklären, wie die Pistole unter Ihre Matratze gekommen ist«, sagte Cenedi. »Sie halten an der Behauptung fest, nicht gewußt zu haben, daß sie dort liegt.«
»Ja.«
Cenedi lehnte sich zurück und musterte Bren sekundenlang. Dann: »Banichi hat Ihnen die Waffe gegeben.«
»Nein, Nadi. Das trifft nicht zu.« »Nand’ Paidhi, es gibt im Umkreis der Aiji-Mutter etliche Personen, die mit Tabini-Aiji eng verbunden sind, und zwar, wohlgemerkt, vermittels der Aiji-Mutter. Diese Personen halten diesen Wisch, diesen Vertrag mit Mospheira für ungültig, insbesondere den darin festgelegten Status der Insel. Sie wollen, daß Mospheiras Unabhängigkeit wieder aufgehoben wird.«
Dieses Pack, dachte Bren und spürte, wie er in Wallung geriet; diese Ewiggestrigen, diese Kriegstreiber.
»Diese Nadiin verlangen Ihre Auslieferung«, sagte Cenedi. »Es sind bereits Agenten angereist mit dem Auftrag, Sie, nand’ Paidhi, festzunehmen und der Aiji-Mutter klarzumachen, daß es besser für sie sei, wenn es zwischen ihr und Tabini endgültig zum Bruch käme. Ich habe einen Kompromiß vorgeschlagen, mit dem die andere Seite einverstanden ist: Sie verzichtet auf Ihre Festnahme, wenn Sie, Nadi, kooperieren und Informationen preisgeben. Dazu haben Sie hier und jetzt Gelegenheit.« Schrecklicher konnte es kaum kommen. Von allen Fragen, die auf ihn einstürzten, erschien ihm die nach der Rolle Cenedis nun vorrangig. »Stehen Sie im Dienst der Aiji-Mutter, Nadi?« »Immer und ausnahmslos.«
»Und auf welcher Seite steht sie? Ist sie für oder gegen Tabini?«
»Sie hat kein Man’chi und handelt aus freien Stücken.«
»In der Absicht, den Aiji zu verdrängen?«
»Vielleicht. Sie würde nichts tun, was ihre Unabhängigkeit schmälerte.«
Ilisidi hatte sich zweimal dem Hasdrawad zur Wahl gestellt und war beide Male gescheitert. Zuletzt vor fünf Jahren, übertrumpft von Tabini.
Und Tabini schickte seinen Paidhi ausgerechnet ihr, samt Begleitschreiben.
»Werden Sie mir die verlangten Informationen geben, nand’ Paidhi?«
Bren schwieg. Vielleicht – vielleicht hatte Tabini ihn ja doch nicht betrogen, nicht wirklich. Vielleicht ging es mit seiner Regierung zu Ende, und er, der Paidhi, hatte die politischen Erschütterungen nicht gespürt, was er kaum glauben konnte. Aber er wäre nicht der erste Paidhi, der das Ränkespiel bei Hofe nicht durchschaute.
»Nand’ Paidhi«, sagte Cenedi, auf eine Antwort drängend. »Ich wiederhole: Es sind Agenten hier auf Malguri, die darauf warten, Sie in ihre Gewalt zu nehmen. Es muß nicht sein, daß Sie für immer verschwänden, wenn ich Sie auslieferte. Ich könnte Sie wahrscheinlich zurückholen. Doch in welchem Zustand Sie dann wären, ist eine ganz andere Frage. Die Leute, von denen ich spreche, würden Sie gründlicher befragen und sehr viel mehr wissen wollen als ich. Ich hoffe, Sie täuschen sich nicht. Wir spielen hier nicht Machimi. Es gibt Verhörmethoden, die bisher jeden zum Reden gebracht haben. Seien Sie klug, geben Sie mir die Information, die den Aiji zu Fall bringt, und wir werden gut miteinander auskommen. Wenn nicht…«
Bren rang so verzweifelt mit sich, daß er auf Cenedis Worte kaum mehr achtete.
»… werde ich Sie ausliefern müssen. Was dann auf Sie zukäme, würde ich Ihnen gern ersparen. Also, noch mal: Wer hat den Schuß abgegeben?«
»Banichi.«
»Wer gab Ihnen die Pistole?«
»Mir wurde nie eine Pistole gegeben.«
Cenedi seufzte und drückte einen Schalter. Am Rande und zerstreutermaßen registrierte Bren: Nicht alles in diesem Haus
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