Atevi 1 - Fremdling
Nadiin, könnten Sie jemanden losschicken und Jago zurückrufen lassen. Oder Banichi… irgend jemanden, der zu meinem Personal gehört? Ich will mit Cenedi sprechen. Oder der Aiji-Mutter.«
»Ich fürchte, das ist jetzt nicht mehr möglich, nand’ Paidhi. Man packt schon ein paar Sachen für Sie zusammen. Wenn Sie frühstücken möchten…«
»Meine Sachen? Wohin gehen wir, Nadiin? Und wann? Ich muß vorher telefonieren. Ich muß mich mit meinem Büro auf Mospheira in Verbindung setzen und Bescheid geben, daß es mir gut geht. Das ist extrem wichtig. Denn sonst könnte jemand auf dumme Gedanken kommen und Maßnahmen einleiten, die gefährlich werden.«
»Wir leiten Ihre Bitte an Cenedi weiter«, sagte Giri. »Sie sollten sich aber jetzt erst mal stärken. Der Tee ist gleich fertig. Und das Frühstück steht bereit. Ich empfehle dringend, daß Sie etwas essen. Bitte, nand’ Paidhi. Cenedi erfährt von mir persönlich, was Sie wünschen.«
Mehr war nicht zu verlangen. Ihm wurde wieder kalt, und die Schwäche, die er empfand, gab Giri recht. Man hatte ihn gestern noch vor dem Abendessen zu Cenedi geführt. Der Magen war leer.
»Na schön«, murmelte er. »Dann frühstücke ich jetzt. Aber bitte sagen Sie auch der Aiji-Mutter Bescheid.«
Giri verschwand. Sein Kollege rührte sich nicht vom Fleck. Bren trat vor den Kamin und zupfte an den Haarsträhnen, die ihm lose über die Schultern fielen. Seine Kleider waren verdreckt und voller Kellerstaub. Das Hemd war vorn eingerissen – wohl in Folge seines sinnlosen Fluchtversuchs auf der Treppe. Er machte beileibe keinen guten Eindruck als Mensch. Die Atevi um ihn herum sahen immer aus wie aus dem Ei gepellt mit sauber geflochtenen Zöpfen, in makelloser Aufmachung und aufrechter Haltung, egal wie müde und erschöpft sie auch sein mochten. Bren hob die schmerzenden Arme und richtete die Haare mit drei, vier Flechten… Herrje, die Spange war weg. War wohl verlorengegangen auf der Treppe. Wenn er dort vorbeikäme, würde er sie vielleicht wiederfinden.
Ein Diener brachte auf einem großen Tablett das Frühstück aus Fisch, Käse, frischgebackenem Brot und einer Kanne mit starkem, schwarzem Tee. Bren nahm vor dem kleinen Tisch Platz, an dem serviert wurde.
Sein Appetit war größer als erwartet, angeregt durch verlockende Düfte und Giris Hinweis darauf, daß dieses Frühstück wohl lange würde vorhalten müssen. Seine Sachen waren gepackt; es sollte also tatsächlich gleich losgehen, womöglich mitten durch die Reihen der Aufständischen in Maidingi. In der Hoffnung, daß Ilisidi für seinen Schutz garantierte.
Aber würde sich der aufgebrachte Mob von der Aiji-Mutter überhaupt noch zügeln lassen? Ilisidis Worten war zu entnehmen gewesen, daß sie auf seiten der Opposition gestanden und erst vergangene Nacht ihren Sinn geändert hatte. Die Radikalen würden einen solchen Kurswechsel nicht nachvollziehen wollen und an der Absicht festhalten, den Paidhi zu ermorden. Wenn es zur Konfrontation oder gar einer Schießerei käme, wären sie der Masse mit Sicherheit unterlegen.
Die vergangene Nacht war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was ihm blühte, wenn er den Radikalen in die Hände fiele. Besser wäre es, auf der Flucht erschossen zu werden…
Er aß sein Frühstück, trank Tee und vertraute darauf, daß Cenedi alles weitere im Griff hatte. Der Sicherheitsbeauftragte einer so hochgestellten Persönlichkeit wie Ilisidi hatte zweifelsohne ein gerütteltes Maß an Finesse und eine ziemlich genaue Vorstellung von den – legalen und allen anderen – Möglichkeiten, die ihm zur Lösung des anstehenden Problems zur Verfügung standen.
Es war nur zu hoffen, daß Banichi und Jago nicht die Leidtragenden seiner Tricks sein würden. Wenn er, Bren, die beiden verlöre… nicht auszudenken.
»Nand’ Paidhi.«
Er erkannte die Stimme sofort und fuhr auf dem Stuhl herum. Djinana brachte seine Jacke und Kleider zum Wechseln, sein Necessaire und – gottseidank – den Computer. Hatte Djinana von sich aus daran gedacht, oder war er dazu aufgefordert worden – von Banichi oder Jago –, den Apparat mitzunehmen? Wie auch immer, es war wichtig, daß er nicht zurückblieb und von Leuten angezapft wurde, die die enthaltenen Aufzeichnungen falsch verstehen könnten.
»Djinana-ji«, sagte Bren und dachte mit Schrecken daran, daß das Hauspersonal den Aufständischen schutzlos ausgeliefert sein würde. »Es heißt, daß sich bewaffnete Truppen auf den Weg hierher gemacht
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