Atevi 1 - Fremdling
Eier. Nein, sie würden den Paidhi nicht umbringen. Aber womit sollten sie ihm Druck machen, um herauszufinden, was sie wissen mußten?
»Bren-ji.«
Er wähnte sich im Kellerverlies. Schatten ringsum. Das kalte Metall im Gesicht. Aber nein. Was ihn da berührte, war weniger fest, ein flüchtiges Streichen auf der Haut.
»Bren-ji.«
Er schlug die Augen auf und sah in ein dunkles, besorgtes Gesicht.
»Jago!«
»Bren-ji, Sie müssen fliehen, sofort! Es sind Leute in Maidingi eingetroffen, dieselben, die schon einmal gegen Sie vorgegangen sind. Wir müssen weg von hier, zu Ihrem Schutz, aber auch zum Schutz dieser Leute. Da sind viele Unschuldige drunter, Bren-ji. Die Aiji-Mutter hat uns Bescheid gegeben. Ein Teil der Rebellen hört immer noch auf ihr Kommando, aber längst nicht mehr alle. Außerdem sind die Aijiin von zwei Nachbarprovinzen in den Aufstand getreten. Sie haben Truppen in Bewegung gesetzt, die auf Malguri zumarschieren.« Erneut streichelte sie ihm mit dem Handrücken über die Wange; er war wie gelähmt vom Anblick ihrer gelben Augen. »Wir versuchen die Rebellen aufzuhalten. Sie können sich ganz auf uns und Ilisidi verlassen, Bren-ji.«
»Jago?«
»Ich muß los. Die Zeit drängt.«
Er wollte nach Banichi fragen oder danach, wie sie das anzustellen gedachten: die Rebellen aufhalten. Doch sie löste ihre Hand aus seinen Fingern und eilte mit wippendem Zopf zur Tür und hinaus.
Bren hielt es nicht länger im Sessel. Er warf die Decken beiseite und stemmte sich hoch. Jagos Worte rasselten ihm durch das benommene, müde Hirn.
Aufhalten? Einen aufgebrachten Mob? Zum Teufel, Jago, wie sollte das möglich sein?
Oder ist das alles wieder nur ein Bluff?
Jago hatte von Unschuldigen gesprochen.
Unschuldige – die ihn zu lynchen versuchten?
Wahrscheinlich waren sie aufgeschreckt wegen der Vorgänge am Himmel, die sich hier auf dem Lande deutlich erkennen ließen. Denn die Nächte waren stockdunkel und nicht so diesig und voller Kunstlicht wie in den Städten. Hinzu kam, daß in weiten Teilen Maidingis der Strom ausgefallen war und die Bewohner wohl häufiger als sonst zum Himmel aufgeschaut hatten. Jeder konnte sich überzeugen von dem, was Astrologen und Amateure bereits vor Tagen mit ihren Teleskopen ausgemacht haben mochten.
Und jetzt machte sich Panik breit, Angst vor Landungen, Gerüchte über feindliche Angriffe auf ihren Planeten.
Was würden sie von der Erscheinung am Himmel halten? Natürlich mußten sie annehmen, daß eine neue Invasion bevorstand, womöglich wieder Krieg und ein gewaltsames Vordringen der Menschen.
Bren stand wie verloren da, sah sich beobachtet von Ilisidis Wachen und wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Dabei war ihm bewußt, daß er und nur er, der Paidhi, atevische Interessen vor den Behörden auf Mospheira und der Kommandantur des Schiffes dort oben vertreten konnte.
Die Gilde hatte ursprünglich keine Kontakte zulassen wollen, aber dann nach der ersten härteren Auseinandersetzung einlenken müssen, um im Einverständnis mit der Bodenstation im stellaren Umfeld nach Mitteln und Wegen für eine Rückkehr zur Erde suchen zu können. Im Gegenzug hatte sie weiteres Personal und zusätzliche Ausrüstungen auf der Planetenoberfläche absetzen lassen.
Und dort hatten sich die Menschen eingerichtet; nach zweihundert Jahren kannten sie nichts anderes als diese Welt, und es gab die Hoffnung, mit den Nachbarn auszukommen, zumindest auf Distanz.
Verdammt, dachte Bren. Er war außer sich vor Wut über diese Einmischung von oben, und er konnte sich lebhaft vorstellen, daß auch Mospheira alles andere als erfreut sein würde über den Austausch mit dem Schiff. Angenommen, die Phoenix wollte wissen: Wo steckt dieser Dolmetscher, wo ist der Paidhi-Aiji, auf welcher Seite steht er und warum könnt ihr ihn nicht finden…? Was sollte Mospheira darauf sagen? Tut uns leid, keine Ahnung? Es ist das erste Mal, daß wir den Kontakt zu ihm verloren haben.
Sein Büro auf Mospheira mußte längst ahnen, daß er in Schwierigkeiten steckte, daß den Atevi das Auftauchen des Schiffs nicht entgangen sein konnte und daß man ihn, den Paidhi, irgendwo versteckt hielt und Verhören unterzog.
Und jetzt spielte sich Hanks wahrscheinlich mächtig auf. Deana Betonkopf würde, weil er unerreichbar war, Entscheidungen in seinem Namen treffen.
Er brauchte ein Telefon, ein Funkgerät, irgendwas. »Ich muß unbedingt mit meinen Leuten reden«, sagte er, »über das Schiff da oben. Bitte,
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