Atevi 1 - Fremdling
ihre Heimatwelt verlassen und für immer verloren harten. Er straffte die Schultern, erinnerte sich daran, daß er Paidhi war, ein Mann von Rang und Namen. Er hatte freiwillig dieses Amt übernommen und gewußt, was auf ihn zukommen würde, sich aber dennoch immer wieder auch Hoffnungen darauf gemacht, im Umgang mit den Atevi Worte finden zu können, die so etwas wie emotionale Resonanz hervorzurufen vermochten. Das hätte ihn entschädigt für den Weggang von Mospheira und den Verzicht auf menschliche Nähe. Er war damals zweiundzwanzig Jahre alt gewesen und reichlich naiv.
»Ihr Verhalten beunruhigt mich«, sagte Banichi. »Verzeihen Sie.« Bren schluckte, hatte sich aber wieder halbwegs gefangen. Dennoch scheute er den Blickkontakt zu Banichi, der, wie es schien, argwöhnisch und gereizt war. »Ich war aufdringlich und habe unbesonnen reagiert.«
»Reagiert auf was, nand’ Paidhi?« Hatte er sich doch schon wieder in der Wortwahl vergriffen! Die Kopfschmerzen brachten den Magen in Aufruhr. »Auf Ihr Verhalten. Ich habe es falsch gedeutet. Meine Schuld, nicht Ihre. Wollen Sie mich morgen zu meiner Verabredung begleiten und aufpassen, daß ich mich nicht danebenbenehme?«
»Was habe ich Mißverständliches gesagt oder getan?«
Banichi ließ nicht locker, geschweige denn ablenken. Doch Bren war nicht in der Verfassung, sachlich und unaufgeregt zu argumentieren.
»Das habe ich zu erklären versucht. Anscheinend vergeblich.« Er starrte in einen dunklen, vom Feuerschein unerreichten Winkel des Zimmers und dachte an Banichis Interpretation seiner Erklärung. »Von einer Drohung meinerseits kann keine Rede sein. So etwas käme mir nicht in den Sinn. Ich schätze Ihre Gegenwart und Ihre außerordentlichen Qualitäten. Werden Sie mich morgen begleiten?«
Zurück zu einfachen, unverfänglichen Worten. Nüchtern und entkrampft.
»Nein, Nadi. Sie sind eingeladen. Ich kann mich nicht selbst dazu einladen, schon gar nicht an den Tisch der Aiji-Mutter.«
»Aber Sie haben den Auftrag, mich zu…«
»Mein Man’chi ist bei Tabini. Ich handele in seinem Interesse. Das sollten Sie doch wissen.«
Banichi war merklich ungehalten. »Natürlich«, antwortete Bren. »Wie könnte ich das vergessen?« Und er taxierte ihn, gerade so, als versuchte er dessen Äußerung mit Blicken abzuklopfen.
Banichi zeigte sich unbeeindruckt. »Seien Sie vorsichtig mit dem, was Ihnen angeboten wird. Lassen Sie den Koch wissen, daß Sie mit am Tisch sitzen.«
Die Tür ging auf. Jago trat ein, vom Regen durchnäßt wie Banichi, aber anscheinend bei bester Laune. Doch als sie die beiden sah und deren Stimmung gewahrte, veränderte sich ihre Miene schlagartig. Wortlos durchquerte sie den Raum in Richtung Schlafzimmer.
»Entschuldigen Sie mich«, sagte Banichi und ging ihr nach.
Bren starrte auf den Rücken der schwarzen Uniform und den hin- und herpendelnden Zopf. Die beiden nutzten den kurzen Weg durch sein Schlafzimmer, um in den Trakt des Dienstpersonals zu gelangen. Jähzornig schlug Bren mit der Faust gegen die Steinwand.
Er machte sich Vorwürfe. Wie dumm von ihm, wie gefährlich, Banichi erklären zu wollen, was für einen Ateva nicht zu verstehen war.
Banichi und Jago waren im Quartier der Dienstboten, wo sie wohnten, in separaten Zimmern. Bren ging in sein Schlafzimmer und zog sich aus unter den Glasaugen des Tierkopfes, der, den Schrecken der Jagd im Ausdruck konservierend, an der Wand hing.
Bren legte sich ins Bett, und weil er zu aufgewühlt war, um schlafen zu können, nahm er ein Buch zur Hand und las von Schlachten zwischen befeindeten Atevi, von Intrigen und Morden.
Von Geisterschiffen auf dem See, von einem Gespenst, das die Audienzhalle unsicher machte, und von einem verhexten Tier, das rastlos durch die Korridore streifte – atevischer Aberglaube. Bren ließ sich davon nicht beeindrucken, doch immer wieder und unwillkürlich richtete sich sein Blick auf die Bestie an der Wand, die ihn mit stumpfen, glasigen Augen anstarrte.
Es donnerte. Das Licht ging aus. Der Feuerschein vom Kamin nebenan runzelte durch den Türausschnitt und tanzte über die Wand, ohne je die Ecken zu erreichen, und auch die Tür zur Unterkunft der Dienstboten blieb im Dunklen.
Wahrscheinlich, so dachte er, hatte ein Blitz in den Transformator eingeschlagen.
Doch es blieb unheimlich still im Haus. Von Ferne war nur ein dumpfes Stampfen zu vernehmen, das wie ein Herzschlag durch die Mauern drang.
Dann tönten aus dem hinteren Trakt Schritte, die sich
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