Atevi 1 - Fremdling
Schriftstück ins Gästebuch, damit rechnend, daß es der nächste Gast dort fände, falls er nicht mehr selbst dazu käme, es wieder herauszunehmen.
Donner grollte, und Blitze ließen die regennassen Fensterscheiben aufleuchten.
Bren las immer noch oder blätterte im Buch herum, um nicht seinen düsteren Gedanken nachhängen zu müssen. Er betrachtete die Abbildungen, wenn ihn der Text langweilte oder vor seinen übermüdeten Augen verschwamm. Inhaltlich ging es darin fast ausschließlich um Kriege, Betrug und heimtückische Morde.
Von einem Donnerschlag begleitet, trat Banichi zur Tür herein. Vor dem Kamin blieb er stehen. Auf der schwarzen, silbern abgesetzten Uniform perlte Nebelnässe. »Nadi Bren, es ist nicht gut, daß Sie ohne Rücksprache mit mir Verabredungen treffen.« Er machte einen unzufriedenen Eindruck.
Bren betrachtete ihn mit starrer Miene, sagte kein Wort und wechselte Banichis Vorwurf im stillen: Es ist nicht gut, daß Sie ohne Rücksprache mit mir das Haus verlassen.
Mochte Banichi doch im dunklen tappen und, was seine, Brens, Gedanken angingen, auf Spekulationen angewiesen sein; ihm blieb ja auch nichts anderes übrig, als Vermutungen anzustellen über Banichis Gedanken oder die von Jago oder die jener vermeintlichen Diener, die aus der Hauptstadt mitgekommen waren, aber nicht zur Verfügung standen, wenn er sie brauchte.
Doch womöglich hatte er gar keinen Grund, verärgert zu sein. Vielleicht war Banichi wegen einer dringlichen, streng geheimen Sache zum Flughafen oder wer weiß wohin gefahren. Trotzdem kam Wut in ihm hoch, als er Banichi da vorm Feuer stehen sah, eine Wut, die körperlich weh tat und zusätzlich angestachelt wurde vom – zugegebenermaßen törichten, typisch menschlichen – Schmerz aus der enttäuschten Hoffnung, Tabini oder die beiden Atevi an dessen Seite verstehen zu können.
Vielleicht war auch der angekratzte Gesundheitszustand schuld an seiner Stimmung, ein durcheinandergebrachter Vitaminhaushalt, ein Mangel an Mineralien oder eine schlechte Verdauung, bedingt durch ungewohnte Ernährung. Für das Verhalten, das er hier an den Tag legte und mit dem er sich nur selbst schädigte, gab es zig Erklärungen und beileibe nicht nur diätetische, sondern insbesondere die seiner persönlichen Veranlagung, seiner kulturellen Prägung: Er wollte, verdammt noch mal, wenigstens von einem oder einer derer, denen er sein berufstätiges Leben widmete, gemocht werden.
»Ich muß nicht unbedingt Paidhi sein«, sagte er schließlich, zumal Banichi auf stur geschaltet hatte. »Ich bin nicht erpicht darauf, unliebsamer Gast eines fremden Volkes zu sein.«
»Wie wird man Paidhi?« fragte Banichi.
»Durch Ausbildung und Spezialisierung. Und nur der beste seines Fachs kommt für das Amt in Frage. Was ihn motiviert, ist die Hoffnung, daß er mit seiner Arbeit den Frieden zu wahren hilft.«
»Sie sind der beste Ihres Fachs.«
»Ich gebe mir alle Mühe«, entgegnete er. »Aber anscheinend habe ich an irgendeinem Punkt versagt. Ich bin in Gefahr und weiß nicht warum. Das ist ein Armutszeugnis für mich als Paidhi. Möglicherweise habe ich auch noch die Aiji-Mutter beleidigt. Wodurch? Auch das weiß ich nicht, und Sie, Banichi, waren nicht da, um mich aufzuklären oder zu beraten. Auch Jago war nicht da. Keine Spur von Algini oder Tano. Also habe ich Djinana um Rat gebeten. Doch er konnte mir nicht helfen, jedenfalls nicht in dem Maße, wie Sie mir hätten helfen können, wären Sie nur dagewesen.«
Banichi zog die Stirn kraus. Seine Miene verdüsterte sich zusehends.
»Wo waren Sie Banichi? Oder ist diese Frage nicht angebracht? Wenn Sie ohne weiteres darauf antworten könnten, hätten Sie sich nicht davonzuschleichen brauchen, nicht wahr? Ich muß also davon ausgehen, daß Sie mir etwas verheimlichen, was mich beunruhigen könnte. Darum weichen Sie der Frage aus.«
Banichi schwieg sich aus. Nach einer Weile kehrte er dem Kamin den Rücken zu und ging in Richtung Schlafzimmer.
Bren schlug das Buch zu, und zu seiner Genugtuung sah er Banichi vor Schreck zusammenfahren. Auch er zeigte Nerven. »Wo ist Jago?« fragte Bren. »Draußen. – Fragen ausweichen?« »Verdammt!« Bren stand auf, doch selbst auf fünf Schritt Entfernung mußte er noch zu Banichi aufblicken. »Stehe ich hier unter Arrest? Ich will endlich Klarheit. Und was ist mit meiner Post? Wird der Flughafen von Maidingi überhaupt regelmäßig angeflogen?«
»Aus Shejidan einmal die Woche. Hier im Hinterland hat
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