Atevi 1 - Fremdling
weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, Nadi.«
»Beantworten Sie mir folgende Frage: Falls Sie, vor die Wahl gestellt, nur eines würden retten können - Malguri oder das Leben Ihrer Mutter –, wie würden Sie entscheiden?«
»Für Malguri, denn diesem Ort gehört mein Man’chi.«
»Würden Sie für Malguri auch Ihr eigenes Leben lassen, Nadi-ji?«
»Ich bin nicht ›Nadi-ji‹, nur Nadi, nand’ Paidhi.« »Würden Sie sich opfern, Nadi-ji?«
»Ja, diese Steine sind mir mehr wert als mein Leben, Nadi-ji.«
Bren reagierte sichtlich verärgert. »Auch wir Menschen wissen Antiquitäten zu schätzen. Wir geben uns alle Mühe, solche Schätze zu konservieren. Wir wissen um die Bedeutung unserer Geschichte. Sie ist der Fundus unseres Wissens. Ich wünschte, Atevi und Menschen könnten aus der Geschichte der jeweils anderen dazulernen, so daß wir eines Tages gemeinsam – ja, warum nicht? – zum Mond fliegen.«
»Zum Mond!« Djinana lachte befangen. »Was sollten wir denn da?«
»Oder zur alten Raumstation. Sie ist das Erbe unserer gemeinsamen Geschichte…« Bren stockte, als ihm auffiel, daß er hier ein Thema angeschnitten hatte, über das er sich sonst nur mit Tabini unterhielt. Vor dem Rat wagte er damit nicht zu kommen, denn der hegte ein tiefes Mißtrauen gegen alle Wünsche und Pläne der Menschen, vertreten durch den Paidhi.
Ausgerechnet dem Diener und Hauswart Djinana gegenüber rückte er nun mit unverblümter Wahrheit raus. Der war davon merklich irritiert, räumte den Tisch ab und brachte, weil Brens Versandetui nirgends zu finden war, eine antike Schmuckdose aus dem Bestand des Hauses, dazu Papier, Schreibstift und Siegelwachs.
In sorgfältiger Schönschrift gab er zur Antwort: Nehme der Aiji-Mutter großgesinnte Einladung zum Frühstück zur ersten Stunde des morgigen Tages voller Dankbarkeit an – ergebenst, Paidhi-Aiji, Bren Cameron…
Auch Djinana, mit seinem untrüglichen Sinn für höfliche Regeln, hatte an dieser Formulierung nichts einzuwenden. Bren versiegelte die Dose mit seinem Siegelring und schickte Djinana los, um Cenedi nicht länger warten zu lassen.
Gleich darauf setzte er einen Brief an Tabini auf.
Es beunruhigt mich, Aiji-ma, daß ich meinen Pflichten nicht nachkommen kann und die Bearbeitung anhängiger Sachen aufschieben muß. Ich hoffe, daß mich mein Personal auf dem laufenden hält, denn es wäre mir schrecklich, den Anschluß an die aktuellen Entwicklungen in der Hauptstadt zu verlieren. Wie Sie wissen, hat Malguri keinen Zugang zum Computernetz. Leider sehe ich auch keine Möglichkeit, mich telefonisch zu informieren.
Ich wünsche Ihnen Glück und Gelingen, daß Baji-Naji stets zu Ihren Gunsten sei. Mit vorzüglicher Hochachtung und in ergebener Verbundenheit – Bren Cameron als Paidhi-Aiji, Malguri am…
Um das Datum zu ermitteln, zählte er an den Fingern nach. Wie viele Tage hatte er verloren? Einen oder sogar zwei? Er war in seiner Zeitrechnung völlig durcheinandergeraten, setzte schließlich das Datum ein, das er für das wahrscheinliche hielt, verschnürte das zusammengerollte Schriftstück mit einem Band und versiegelte den Papierrand.
Er würde den Brief Banichi mitgeben, wenn der das nächste Mal zum Flughafen hinausführe. Für den Fall, daß das Schreiben verlorenginge, fertigte Bren sicherheitshalber eine Kopie an.
Djinana kam zurück, meldete, die Antwort abgeliefert zu haben, und fragte, ob der Paidhi das Siegelwachs weiter benötige.
»Ich will noch ein paar Briefe schreiben«, sagte Bren. »Ich lösche die Kerze dann selbst. Vielen Dank, ich glaube, ich brauche Sie nicht mehr. Ist die Pförtnerstelle besetzt?«
»Das Tor ist verriegelt, nand’ Paidhi.« »Nun, Banichi hat ja einen Schlüssel.« »Ja, auch Nadi Jago. Aber wahrscheinlich werden sie durch den Kücheneingang kommen.«
Natürlich, der Eingang nach hinten raus, den das Personal benutzte und wo die Waren abgeliefert wurden. Von dort erreichte man auf kürzestem Weg die Dienstbotenquartiere und darüber die Hintertür zu seinem Schlafzimmer.
»In Ordnung. Gute Nacht, Djinana. Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen.«
»Gute Nacht, nand’ Paidhi.«
Djinana ging. Bren fügte der Briefkopie einen Nachsatz hinzu.
Wenn Sie, Tabini-ji, statt des Originals nur diese Kopie zu lesen bekommen, muß Zweifel fallen auf die Zuverlässigkeit des Zustellers. Seit der Teevergiftung bin ich mir der Bediensteten von Malguri und meines eigenen Personals leider nicht mehr sicher.
Er legte das
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