Atevi 2 - Eroberer
womöglich ein Überfall in größerem Maßstab zu befürchten war.
Er tappte durch den dunklen Flur in Richtung Frühstückszimmer. Daß ihm hier keine Dienerinnen begegneten, kam ihm merkwürdig vor. Aber wahrscheinlich waren die Räume in Damiris privatem Trakt schon kontrolliert worden. Die Türen schienen immerhin geschlossen zu sein, denn es regte sich kein Lüftchen. Ob sie aber auch verriegelt waren? Er zweifelte an der Vorsicht des Personal; es hatte schließlich noch nie einen Anschlag miterleben müssen.
Er erreichte das Frühstückszimmer. Die weißen Gardinen hingen schlaff und unbewegt vor den großen Glasflächen, filterten matt das Mondlicht und die Lichter der Stadt. Er zog die Pistole aus der Tasche, schlich herbei und schob am Rand des Fensters die Gardine beiseite. Über einen der tiefergelegenen Giebel wanderte der Lichtschein einer Stablampe.
Plötzlich spürte Bren einen Luftzug. Die Gardinen bewegten sich leicht und zu seinem Schrecken sah er, daß die Tür an der Rückseite offenstand. Als er darauf zuging, um sie zu schließen, hatte er das unbestimmte Gefühl, daß ihm jemand auflauerte. Doch in der Dunkelheit war nichts zu sehen. Die Handflächen wurden ihm feucht vor Angst.
Die Pistole im Anschlag wich er zurück, als krachend neben ihm die Scheibe der Tür zerbarst, und fast gleichzeitig löste sich ein Schatten aus der Dunkelheit, fiel mit Wucht über ihn her und warf ihn zu Boden. Er verlor die Waffe aus der Hand, konnte sich nicht rühren unter dem Schwergewicht, das ihn auf die Steinfliesen drückte. Ein zweiter Schuß krachte, ein dritter, vierter – die Gardine flog zuckend auf, und ein Lichtstrahl wischte durchs Zimmer. Von der Wand spritzte Verputz, Porzellan- und Glasscherben prasselten auf die Gestalt herab, die ihn in Schach hielt.
Dann endlich – es war still geworden – richtete sich der Ateva auf und stieg durch die zerschossene Tür nach draußen auf den Balkon. Bren robbte über den Boden auf der Suche nach seiner Waffe, fand sie mit tastender Hand zwischen Scherben. Erst jetzt meldete sich der Schmerz vom Sturz auf die Fliesen an Kopf, Arm und in den Knien. Unter Mühen stand er auf und schleppte sich, die Pistole in zitternder Hand, auf die Balkontür zu.
»Runter!«
Banichis Stimme, unverkennbar. Banichi stieß ihn unsanft zurück ins Zimmer, und er kippte rücklings zu Boden, so hart, daß ihm für einen Moment lang die Luft wegblieb. Benommen richtete er sich in den Sitz auf und sah Banichi vor der Tür kauern. Der hatte ihm den Rücken zugekehrt und spähte nach draußen, nervös und irritiert, wie es schien. Offenbar war auch für ihn nicht zu erkennen, aus welcher Ecke Gefahr drohte und worauf sie zielte.
»Wo ist Tabini?« fragte Bren.
»In Sicherheit. Bleiben Sie in Deckung, Nadi!«
»Ich habe nur nachsehen wollen, ob die Türen verriegelt sind«, keuchte er.
»Dachte ich mir. Eine war auf. Durch die bin ich gekommen. Rühren Sie sich nicht vom Fleck.«
Bren wagte es schon allein der Schmerzen wegen nicht, sich zu bewegen. Reglos hockte er da, die Arme um die angewinkelten Beine geschlungen.
»Was ist mit Hanks? Hat man sie…«
»Verschleppt, wie es aussieht«, antwortete Banichi. »Baighi ist tot.«
Damit war ausgeschlossen, daß Tabini hinter dem Anschlag steckte. Baighi gehörte zu seinen Leuten. »Ich habe mit ihr telefoniert, als es passierte, und den Recorder eingeschaltet«, sagte Bren.
»Das wird uns weiterhelfen«, antwortete Banichi. »Läuft das Band noch?«
»Wenn es niemand ausgestellt hat. In Damiris Arbeitszimmer. Der Hörer liegt neben dem Apparat.«
»Ich kümmere mich darum«, sagte Banichi. »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Bren-ji?«
»Ja. Wer war’s? Wer kommt dafür in Frage?«
»Das wissen wir noch nicht.«
Plötzlich fiel ihm ein, daß Ilisidi nur eine Etage tiefer wohnte, daß womöglich auch sie bedroht war – oder schlimmer: vielleicht sogar hinter dem Anschlag steckte.
Ausgeschlossen. Dieser Überfall war ohne jede Finesse. Cenedi würde keine Löcher in die Wand schießen.
Da kamen schon eher die Atigeini in Betracht, Damiris Verwandtschaft, der es ein Dorn im Auge war, daß der Paidhi in ihrer angestammten Residenz wohnte. Zweite Möglichkeit: die Guisi, die Familie des Mannes, der im Plenarsaal auf den Paidhi geschossen hatte und von Jago getötet worden war. Vielleicht hatten seine Angehörigen Rache üben wollen. Es sei denn…
»Die Gilde hat doch einen Mordauftrag gegen mich abgelehnt, nicht
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