Atevi 2 - Eroberer
Er hoffte, sich zu irren. Banichi spulte das Band zurück und ließ es noch mal ablaufen.
Tano war nicht da. Jago hielt sich irgendwo da draußen auf den Dächern auf. Banichi war mit Ermittlungen beschäftigt, Saidin beaufsichtigte das Personal; nur Bren hatte nichts zu tun, keine Möglichkeit der Ablenkung. Er kehrte ins Foyer zurück, hielt den schmerzenden Arm an die Seite gedrückt, war voller Angst und Sorge um Tano und Jago, vor allem aber um Deana. Am Rande bekam er mit, daß Banichi nun mit seinem Büro telefonierte. Bren trat zurück in den Türausschnitt und hörte mit Entsetzen, daß zwei von Tabinis Leuten getötet worden waren.
Nein, dieser Überfall war nicht von stümperhaften Amateuren geführt worden. Der oder die Täter hatten zumindest das Format der Gildenmitglieder, die in Tabinis Dienst standen. Und wenn denn tatsächlich, wie von Banichi behauptet, kein genehmigter Mordauftrag vorlag, war daraus nur eine Folgerung zu ziehen: Hier hatten ausgebildete Assassinen eine eigene Rechnung aufgemacht – was, wie Bren wußte, gelegentlich durchaus vorkam, obwohl die Gilde nicht gerade glücklich darüber war.
Banichi verließ die Wachstube und rief über sein Taschen-Kom einzelne Außenposten; er stand offenbar unter Dampf und war merklich frustriert, wohl darüber, daß er nicht selbst an Ort und Stelle ermitteln konnte. »Nadi«, blaffte er ins Mikrophon, »reden Sie nicht, tun Sie was!«
Bren hielt es für ratsam, Banichi nicht zu nahe zu kommen. Ebenso gereizt schien Algini zu sein. Beide waren durch Verletzungen daran gehindert, ihren eigentlichen Aufgaben nachzukommen, und was sie an Meldungen zu hören bekamen, war nicht dazu angetan, ihre Stimmung zu heben.
»Von Hanks-Paidhi ist keine Spur zu entdecken«, sagte Banichi schließlich mit zornigem Blick in Brens Richtung. »Rätselhaft. Denn unsere Leute haben den unteren Bereich systematisch durchkämmt.« »Glauben Sie, daß sie tot ist?« »Wieso hätte man eine Leiche wegschaffen sollen?«
»Sie wiegt nicht viel. Es wäre ein leichtes, sie in eine Kiste zu stecken, in einen Wäschewagen oder…«
»Daran haben wir auch schon gedacht. Die Nachforschungen sind in vollem Gang, aber bislang…«
Es läutete an der Pforte. Algini, sein Taschen-Kom ans Ohr gepreßt, rief, es könne geöffnet werden; er wisse, wer draußen sei.
Es war Naidiri von der Leibwache des Aiji – und Tabini persönlich, gefolgt von Damiri und einer Gruppe uniformierter Sicherheitskräfte und Polizisten des Bu-javid.
»Bren-ji«, sagte Tabini, als die Besucher ins Foyer strömten.
Saidin beeilte sich, Damiri-daja zu begrüßen, und Tabini hatte es nicht weniger eilig, seine Leute und die Polizei auf ihre Posten zu schicken: im Foyer, in der Wachstube, in der Wohnung und in den Fluren des Dienstpersonals.
Dann legte er Bren die Hand auf die Schulter – zum Glück nicht auf diejenige, die ihm wieder schrecklich weh tat.
»Sie sind unverletzt, Nadi?« fragte er. »Ich hörte, daß auf Sie geschossen wurde.«
»Ja, durch die Glastür im Altan, Aiji-ma«, antwortete Bren und wunderte sich selbst, warum ihm ausgerechnet jetzt die Knie weich wurden und der Magen rebellierte. Die Pistole steckte immer noch in der Innentasche, und angesichts der vielen Sicherheitskräfte ringsum bereute er es, sie nicht schon wieder zurückgelegt zu haben in die Wäschekommode. Tabini wußte von der Pistole, nicht aber die Bu-javid-Polizei, und selbst für den Aiji würde es peinlich werden, dem Hasdrawad erklären zu müssen, wieso der Paidhi bewaffnet war. »Ich fürchte, im Frühstückszimmer ist einiges zu Bruch gegangen. Es tut mir leid.«
»Dafür sind Sie doch nicht verantwortlich«, entgegnete Tabini.
Nicht verantwortlich, aber auch nicht hilfreich bei den Ermittlungen. Ob er denn nichts gesehen oder gehörte habe, fragte Naidiri. Leider nein, antwortete Bren kleinlaut; nichts, bis auf die wenigen Worte, die per Telefon zu hören gewesen seien, bevor er den Recorder eingeschaltet habe. Banichi zeigte das Band und lobte die schnelle Reaktion des Paidhi.
Bren wiederholte Deanas entsetzten Ausruf, versuchte, die Worte zu deuten, und beschrieb, wo sie vermutlich gestanden hatte – es war ja einmal sein Apartment gewesen.
Daraufhin wurde das Band noch einmal auf die Geräusche im Hintergrund abgehört. Atevi hatten ein überaus feines Gehör und bemerkten Laute, die von Bedeutung sein mochten, aber auf Anhieb nicht zu erklären waren. Bren hörte von alledem nichts.
Weitere Kostenlose Bücher