Atevi 2 - Eroberer
eine zerschlagene Porzellanblume vom Boden auf, eine dreiblättrige Lilie. »Schauen Sie sich das an. Ich will, daß das auch mein Onkel sieht, Aiji-ma. Die ganze Welt soll es sehen – in den Fernsehnachrichten – und hören, daß der Paidhi davon unbeeindruckt bleibt, daß er in meinem Schlafzimmer übernachten und mit mir und meinem Personal hier in diesem Zimmer frühstücken wird. Ich lasse mich nicht einschüchtern.«
»Nein, nein, Miri-ji«, sagte Tabini beruhigend. »Allerdings finde ich, daß wir mit diesen Bildern erst dann an die Öffentlichkeit gehen sollten, wenn die Täter gefaßt sind und das Problem behoben ist. Aber wenn Sie Ihren Onkel einweihen möchten…« Tabini wich dem eisigen Blick Damiris aus. »Dann lassen Sie ihm doch einige dieser Porzellanscherben zukommen. Diese Blume zum Beispiel. Vielleicht kommt er zu einem ganz anderen Schluß, zu dem nämlich, daß die Täter womöglich den Atigeini eins auswischen wollten und daß dieser Anschlag nur als eine Art Warnung zu verstehen ist.«
Damiris Miene verriet wilde Entschlossenheit. »Ihr Flugzeug, Aiji-ma.«
»Steht zu Ihrer Verfügung. Aber ich müßte es morgen früh zurückhaben. Aufgetankt.« Und an Bren gewandt: »Bren-ji, egal in welchem Schlafzimmer Sie übernachten werden – für Ihre Sicherheit ist in jedem Fall gesorgt. Und lassen Sie sich nicht von Miri-daja einschüchtern. Ihre Matratze ist verflixt hart.«
Bren errötete, aber noch befangener als diese Worte machte ihn die Angst davor, daß die Pistole bei ihm entdeckt werden könnte. »Tabini-ma«, antwortete er, »ich bedaure, so viel Umstände zu machen, und bin durchaus zufrieden mit meinem Gästeschlafzimmer.«
»Wie wohlanständig unser Paidhi ist.« Damiri reichte ihm die Hand, und er war gezwungen, ihr ins Gesicht zu blicken; sie musterte ihn mit unverhohlener Neugier. »Und so gutaussehend. Der Argwohn meiner eifersüchtigen Tante kommt nicht von ungefähr. Nand’ Paidhi, Sie sind wirklich äußerst höflich.«
»Das hoffe ich, Daja-ma.«
»Dennoch mache ich mir Sorgen um mein Personal. Es ist ganz vernarrt in unseren Gast.«
»Ich habe mich doch hoffentlich nicht ungehörig verhalten.«
»Bren-Paidhi. Meine Dienerinnen träumen davon, daß Sie sich ungehörig verhalten. Ich weiß Bescheid.«
»Daja-ma…«
Tabini half ihm aus der Verlegenheit und führte ihn am Arm ein paar Schritte zur Seite. »Lassen Sie sich nicht irritieren. Wir müssen uns weniger um die Atigeini oder um deren zerschlagenes Porzellan Sorgen machen, als vielmehr um Hanks-Paidhi. Ich bin überzeugt davon, daß der Anschlag auf diese Wohnung nur ein Ablenkungsmanöver war. Haben Sie, Bren-ji, einen Verdacht, wer Ihre Kollegin entführt haben könnte?«
»Nein, Aiji-ma, nicht den geringsten, zumal ich nicht glauben kann, daß von der Gilde jemand in Betracht kommt. Vielleicht war es ein Racheakt. Möglich auch, daß die Täter beides im Schilde führten: Hanks’ Entführung und meinen Tod, um alle Verbindungen zwischen Shejidan und Mospheira abreißen zu lassen. Aus welchen Gründen auch immer.«
»Wer hätte sich ernstlich einbilden können, damit Erfolg zu haben?«
Damiri hatte mitgehört, trat herbei und sagte: »Ich glaube, es wäre falsch, den Tätern Intelligenz und Weitblick zu unterstellen. Im Gegenteil, hier haben Dummheit und Verzweiflung gewütet.«
»Daß sie den Unmut Ihres Onkels billigend in Kauf genommen haben, spricht nicht notwendigerweise für Dummheit, Daja-ji.«
»Wie dem auch sei, wer meine Lilien mutwillig zerstört, wird keine Nacht mehr ruhig schlafen können. Ich fordere Genugtuung.«
»Die sei Ihnen unbenommen, Lilien-daja, doch die Sicherheit des Paidhi geht vor, ich lasse nicht zu, daß Sie Dinge unternehmen, die Bren in Gefahr bringen könnten – oder jene unleidliche Frau, die ich leider zu schützen versprochen habe.«
»Ich würde doch den Paidhi nicht in Gefahr bringen…« Damiri legte Bren eine Hand auf die verletzte Schulter, zum Glück sehr sanft. »Trauen Sie mir so etwas zu?«
Wie sollte er sich verhalten? Von ihr abrücken? Oder stillhalten? »Natürlich nicht, Nai-ma«, versicherte er feierlich.
»Aiji-ma.« Algini war in der Tür aufgetaucht und meldete: »Verzeihen Sie die Störung, aber das Schiff wünscht Bren-Paidhi zu sprechen.«
Auch das noch, dachte Bren. Er sah sich außerstande, jetzt auf mosphei’ umzuschalten, sich auf Verhandlungen zu konzentrieren, wo ihm doch ganz andere Sorgen durch den Kopf gingen. Und von alledem
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