Atevi 2 - Eroberer
durften die Fremden nur ja nichts erfahren. Wenn sie, über die alarmierenden Vorgänge in Shejidan informiert, von der geplanten Entsendung ihrer Vertreter absehen würden, wäre das Faß zum Überlaufen gebracht, und Tabini könnte abdanken.
»Der Stimme nach zu urteilen, ist der Anrufer ein junger Mann«, meinte Algini.
»Jason Graham.«
»Es geht wohl um die Landung«, sagte Tabini.
»Sehr wahrscheinlich«, antwortete Bren und versuchte, die losen Fäden wieder aufzugreifen: Warum hatte sich Graham über zwei Tage nicht mehr bei ihm gemeldet? Was war derweil zwischen dem Schiff und Mospheira vereinbart worden? Und mit welchen Argumenten sollte er einer möglichen Kursänderung begegnen?
Beklommen machte er sich auf den Weg zum Telefon.
18
»Hallo? Bren? Sind Sie es?« Jasons Stimme klang betont heiter.
Bren war auf das Schlimmste gefaßt, antwortete aber im gleichen Tonfall: »Natürlich bin ich’s. Wer könnte sich hier sonst mit Ihnen unterhalten? Wie geht’s Ihnen?«
»Ganz gut. Und wie stehen die Dinge bei Ihnen?«
»Bestens«, antwortete er, umringt von Tabini, Da-miri, Banichi, Saidin und Naidiri, die ihm ins kleine Arbeitszimmer von Damiri gefolgt waren. »Allerdings habe ich eher mit Ihrem Anruf gerechnet.«
»Tut mir leid, ich wollte Sie nicht warten lassen. Aber die Unterlagen, die Sie uns geschickt haben, mußten erst einmal ausgewertet werden. Und so etwas dauert bei uns so seine Zeit. Sie verstehen?«
»O ja, wo wäre das nicht so? Nun, gibt es Neues zu vermelden?« Seine Hände zitterten vor Erregung, und er fürchtete, daß sie sich auch auf seine Stimme niederschlug. »Verzeihen Sie, daß ich ein wenig außer Atem bin. Ich mußte durchs halbe Haus laufen, um ans Telefon zu kommen.«
»Ja, wir haben uns entschieden für Taiben als Landeplatz.«
»Taiben«, wiederholte Bren und warf einen Blick auf Tabini in Erwartung einer Reaktion, doch der verzog keine Miene. »Der Ort bietet sich wirklich an mit seinem Flughafen, dem flachen, baumlosen Gelände ringsum.« Endlich gab Tabini mit einer Handbewegung zu erkennen, daß er verstanden hatte und einverstanden war. »Eine gute Wahl.«
»Ich übe schon fleißig. Dai ghiyi-ma, aigi’ta amath-aiji, an Jason Graham. Wie klingt das?«
»Sehr gut. Noch korrekter heißt es: Hamatha-aijijin.« Die im Arbeitszimmer Anwesenden waren hellhörig geworden. »Aber ich bin beeindruckt.«
»Ich mache mir Sorgen, weil von Mospheira zu hören ist, daß mit Anschlägen zu rechnen ist. Taiben ist doch im Besitz des Aiji und hoffentlich gut abgesichert, nicht wahr?«
»Das Land rund um Taiben gehört der Öffentlichkeit, aber Sie haben trotzdem nichts zu befürchten. Mospheira will Ihnen nur angst machen.«
»Davon habe ich ohnehin schon genügend. Es würde mich freuen, wenn Sie mir mehr davon abnehmen und garantieren könnten, daß dieser Fallschirm aufgehen wird.«
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Oder haben Ihre Techniker etwa irgendwelche Mängel feststellen müssen?«
»Sie haben den Hitzeschild ausgewechselt, ansonsten aber Ihren Vorschlag beherzigt und darauf verzichtet, den Fallschirm auszupacken. Allerdings ist ein zusätzlicher Schirm eingebaut worden, der sich automatisch öffnet, wenn das Originalteil den Fall nicht stark genug abbremst.«
»Keine Sorge, ich bin sicher, Sie werden sanft aufsetzen, und zwar an der richtigen Stelle. Es sei denn, Sie orientieren sich an den alten Zieldaten. Dann würden Sie nämlich auf Mospheira landen.«
Jason lachte nervös. »Wir haben natürlich vorsichtshalber ausgerechnet, wohin es uns mit dem Ersatzfallschirm verschlagen würde. Kann ich Ihnen das Ergebnis gleich zufaxen?«
»Natürlich. Die Empfangsstation stellt die Verbindung her, wie gehabt.«
»Tja, in rund zweiunddreißig Stunden wär’s dann also soweit. Voraussichtlich landen wir kurz nach halb sieben Ortszeit. In Taiben geht dann wohl gerade die Sonne auf, nicht wahr?«
Bren holte tief Luft. Das war in weniger als zwei Tagen. »Ja, aber warum die Eile?«
»Unsere Vorbereitung sind so gut wie abgeschlossen. Was sollen wir länger warten? Wir sind bereit, in die Kapsel zu steigen, und vertrauen auf die Gastlichkeit der Atevi.«
Taiben. Gastlichkeit der Atevi. Alles, was Jason da sagte, sprach dafür, daß der Versuch Mospheiras, die atevische Seite auszumanövrieren, fehlgeschlagen war. Bren konnte es kaum glauben. Von Mospheira hätte die Schiffsbesatzung doch alles verlangen können, ohne sich zu einer
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