Atevi 2 - Eroberer
Aber bitte, nicht heute abend, dachte er. »Und die Welt, auf die sie hier stießen, war in der Tat vielversprechend. Kaum hatten sie den Orbit dieses Planeten erreicht, waren sämtliche Treibstoffreserven verbraucht. Mittlerweile hatten so viele Menschen ihr Leben gelassen, daß die Gemeinschaft an Bord auseinanderfiel. Die Besatzung plädierte dafür, auf den vierten Planeten dieses Systems auszuweichen und eine Station zu errichten, denn sie hofften, sich dort für längere Zeit niederlassen zu können, ohne von den Atevi bemerkt zu werden. Aber nach der langen, gefahrvollen Reise…«
Wieder stockte er, um durchzuatmen. Noch immer wartete er vergeblich auf eine Reaktion seitens der Zuhörer, denen das meiste von dem, was er bislang vorgetragen hatte, längst bekannt war. »Nach dieser schrecklichen Reise, die so große Opfer verlangt hatte, wollten die Passagiere nicht mehr aufs Geratewohl in eine fremde Gegend weiterziehen, sondern hier, in diesem Orbit die Station installieren. Denn für den Fall, daß im Zuge der Bauarbeiten ernste Probleme entstünden, bot sich der bewohnte Planet als letzte Zuflucht an. Der Blick durchs Teleskop verriet, daß die Atevi zivilisiert waren und fortgeschritten. In ihrer Nähe fühlten sie sich sicher, und darum stimmten sie gegen die Besatzung des Schiffes, die andere Pläne verfolgte.
Heute behaupten manche Mospheiraner, daß die Schiffsbesatzung nur aus Gründen der Machterhaltung auf eine Fortsetzung des Fluges bestand.
Andere halten dagegen, daß es in Wirklichkeit die ernst gemeinte Absicht war, die Atevi zu schonen.
Nach Meinung wiederum anderer waren die Crewmitglieder so sehr an das Umherziehen im All gewöhnt, daß der längere Aufenthalt an einer Stelle für sie einer Gefangenschaft gleichgekommen wäre.
Wie dem auch sei, die Besatzung war entschlossen weiterzufliegen und verlangte nach Treibstoff. Die Arbeitervertreter weigerten sich, einer Sache zu dienen, von der sie sich keine Vorteile erhoffen konnten. Über diesen Streit ging das Bündnis an Bord endgültig in die Brüche.
Die einen sagten: Laßt uns auf die Planetenoberfläche ziehen und dort eine Basis zu gründen.
Andere hielten es für besser, alle Ressourcen in den Bau der Raumstation zu stecken, um sie als permanenten Wohnort im hiesigen Orbit auszubauen.
Es gab also nun drei verschiedene Interessensgruppen; die Situation verlangte nach einem Kompromiß.
Die Crew verbündete sich mit jenem Teil der Arbeiter, die für den Bau der Raumstation votierten, denn eine solche Station war nötig: als Dock zur Reparatur und Wartung des Schiffes. Aber auch zwischen diesen beiden Gruppen kam es zum Konflikt, denn die Crew forderte, um weiterfliegen zu können, einen Großteil der Ressourcen, die für den Aufbau der Raumstation gebraucht wurden. Die Arbeiter, die sich auf dem Planeten niederlassen wollten, wechselten nun die Seiten und stimmten mit der Schiffsbesatzung. Einer unserer Historiker vermutet, daß es zwischen diesen beiden Lagern zu einer heimlichen Absprache kam mit dem Ergebnis, daß sie die Raumfahrer verpflichteten, die Landgänger zu unterstützen, falls sich die Stationsbewohner einer Landung in den Weg stellen würden.
Die menschliche Gemeinschaft wurde zu einem Nest von Intrigen. Ein Geschiebe und Gezerre setzte ein, das die drei Lager immer mehr auseinandertrieb.
Weil alle Mittel und Materialien aufgeteilt waren, blieb den Befürwortern der Landung nichts übrig für den Bau geeigneter Transporter. Der Plan, auf die Oberfläche abzusteigen, schien zum Scheitern verurteilt zu sein, zumal sich die Pilotengilde weigerte, die vorhandenen Shuttle zur Verfügung zu stellen.
Also bastelten sich die Kolonisten einfache Landemaschinen aus alten Ersatzteilen zusammen, Maschinen, die auch von Nichtexperten gesteuert werden konnten und im Grunde nicht mehr waren als Metallkapseln, deren Sturz auf den Planeten mit Fallschirmen abgefangen wurde. In den alten Berichten ist von Blütensegeln die Rede, an denen die Kapseln herabschwebten.
Als Landeplatz wählten sie Mospheira; die Insel war nur dünn besiedelt. Für den Fall, daß es mit den Einheimischen zu Schwierigkeiten kommen würde, nahmen sie sich vor, in die unbewohnten Nordgebiete auszuweichen und Vereinbarungen zu treffen mit den Atevi im Süden, die, wie sie glaubten, einen unabhängigen Inselstaat bildeten.«
Viele Zuhörer fingen plötzlich zu lachen an über das, was sie für einen Witz halten mußten. Wäre dieser Irrtum damals nicht so
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