Atevi 2 - Eroberer
teuer zu stehen gekommen, hätte auch Bren darüber schmunzeln können. Immerhin, die Reaktion der Zuhörer erleichterte ihn.
»Die erste Mannschaft landete glücklich und wähnte sich in gastlicher Umgebung. Die gefürchteten Zusammenstöße mit Einheimischen blieben aus. Schließlich waren auch die Stationsarbeiter und Gildenmitglieder von der Möglichkeit einer reibungslosen Kolonisierung überzeugt.
Dennoch machten sich die Raumfahrer mit dem Schiff auf und davon, kaum daß die Station im Orbit fertiggestellt war. Was in der Folgezeit auf Mospheira passierte, bekamen sie nicht mehr mit. Darum weiß die heutige Besatzung auch nichts von dem Krieg, dem Vertragsschluß oder von den Umständen, die die Aufgabe der Raumstation notwendig machten. Sie kennt auch nicht die Gründe, die dazu geführt haben, daß Menschen und Atevi in strikter Trennung voneinander leben. Nadiin, nach meiner Einschätzung sind die Menschen an Bord des Schiffes genauso ahnungslos und arglos wie ihre Vorfahren zu der Zeit, da diese den Orbit verlassen hatten.
Nadiin, die Menschen von damals hatten nicht wissen können, wie sehr ihre Anwesenheit das Leben der Atevi störte. Sie glaubten, Hoheitsgrenzen beachten zu müssen, die es gar nicht gab, und mißachteten Bündnisstrukturen. Sie bauten Straßen, nicht wissend, welche Probleme sich zwangsläufig dadurch ergaben. Sie brachten eine bewährte Ordnung aus dem Gleichgewicht, indem sie einen Verband dadurch bevorzugten, daß sie ihn mit technischen Errungenschaften beschenkten. Und – Baji-Naji – es gibt immer noch engstirnige Menschen auf Mospheira, für die die atevische Lebensweise ein Rätsel ist, so wie es zweifellos auch auf Seiten der Atevi nach wie vor solche gibt, die menschliches Verhalten für durchweg krankhaft erachten.
Und jetzt ist ein Schiff zurückgekehrt, das vor einer Zeit diesen Planeten verlassen hatte, da die ersten Dampfmaschinen in Betrieb genommen wurden. Jetzt blickt die Besatzung auf ein dichtes Schienennetz herab, auf Städte, Flughäfen, Kraftwerke sowohl auf Mospheira als auch auf dem Festland. Doch sie sieht nicht das, was diese Entwicklung in friedlicher Koexistenz möglich gemacht hat: den Vertrag und die Vereinbarungen zwischen Atevi und Menschen.
Zu meinem großen Bedauern propagiert eine bislang harmlose Minderheit auf Mospheira unter Berufung auf den Vertrag die rigorose Trennung unserer beider Kulturen. Wir nennen sie die Separatisten. Manchen von ihnen geht es um mehr als um den Schutz kultureller Identität. Sie glauben, daß die Menschen dank ihrer überlegenen Technologie einen exklusiven Anspruch auf Raumfahrt besitzen und das Recht haben, den Atevi dieses Privileg zu verwehren. Womöglich hoffen sie mit der Rückkehr des Schiffes auf die Möglichkeit, an vergangene Zeiten anknüpfen zu können. Vielleicht versuchen sie der Schiffsbesatzung einzureden, daß ich, der Paidhi, ein naiver Narr sei, mißbraucht von feindlich gesinnten Atevi, die seit eh und je danach trachten würden, die Menschen zu unterjochen.
Die größte Gefahr geht nach meinem Dafürhalten nicht vom Schiff aus, sondern, wie gesagt, von dieser kleinen Schar Ewiggestriger. Es darf nicht dazu kommen, daß sie an Einfluß zunimmt, daß sie die Besatzung des Schiffes für ihre Sache gewinnt oder gar nach eigener Regie die Raumstation wieder in Betrieb nimmt und mit ihren Leuten bemannt.
Über die Separatistenbewegung auf Mospheira weiß ich nur wenig zu sagen. Ich habe mich nie ernstlich damit befaßt und darum auch keinen Überblick über den Kreis der Aktivisten. Offen würde sich kaum einer dazu bekennen.
Ich erinnere noch einmal daran, daß die Raumstation aufgegeben werden mußte, weil die Energiequellen erschöpft waren und die Versorgungssysteme versagten. Die Nachfahren derer, die sich für den Erhalt der Station eingesetzt hatten, leben heute mit uns auf Mospheira. Die Aussicht auf eine Rückkehr ins All könnte diese Gruppe den Separatisten in die Arme treiben. Wenn es denn so sein sollte, daß eine Handvoll Mospheiraner darauf hinzuwirken versucht, mit geborgter Technologie ins All auszuweichen und der Schiffsbesatzung politische Macht zu übertragen, werde ich mich dem entschieden widersetzen. Ein Raumfahrtprogramm und die eventuelle Inbetriebnahme der Station hat nur dann eine Berechtigung, wenn Atevi und Menschen gemeinsam daran arbeiten und gemeinsam davon profitieren.
Ich bin mir im klaren darüber, daß sich manche Atevi mit der Anwesenheit der Menschen immer
Weitere Kostenlose Bücher