Atevi 2 - Eroberer
Zensur zerstückelt worden; aus den übrig geblieben Wortfetzen konnte er sich keinen Reim machen. Allein der Himmel wußte, was ihm seine Mutter da mitzuteilen hatte.
Anscheinend Kritisches oder gar Verbotenes. Aber was wußte sie denn schon? Sie hatte doch keinen Zugriff auf Geheimnisse. Ihre Briefe waren noch nie in irgendeiner Weise beanstandet worden.
Womöglich war zu Hause etwas vorgefallen, etwas, das man ihm vorläufig verschweigen wollte. Aber warum hatte der Zensor diese eine Zeile durchgehen lassen und nicht gleich den ganzen Brief einbehalten? Man hätte ihn doch einfach verschwinden lassen können, was wahrscheinlich weder ihm, Bren, noch seiner Mutter jemals aufgefallen wäre. Jetzt sah es fast so aus, als legte man es darauf an, daß er sich Sorgen machte – zusätzlich zu seinem Ärger über Barbs Schreiben, das unzensiert geblieben war.
Das dritte Telegramm kam vom Ministerium. In der Anrede stand sein offizieller und völlig unzutreffender Titel. Stabsoffizier Cameron. Danach ging es gleich zur Sache: Im Auftrag des Präsidenten teilen wir Ihnen mit, daß unserem Haus die Prüfung Ihres Bericht zufällt. Bis abschließend darüber beraten worden ist, ergeht an Sie folgender Befehl: Keine weiteren Übersetzungen aufgefangener Funkmeldungen…
Nun ja, dachte Bren; wenn’s mehr nicht ist. Er war zu benommen und schon viel zu weit vorgeprescht in Richtung Verrat, als daß ihn dieser Befehl ernstlich kümmern konnte. Das Telegramm wanderte sogleich in den Papierkorb. Es folgten Barbs Brief und der seiner Mutter. Tano und die anderen schauten verwundert zu.
Ilisidis Versandzylinder war wieder zurückgekommen. Er öffnete ihn und las ihre Nachricht: Eine alte Frau hofft auf Ihre Gesellschaft. Sie regt den müden Kreislauf an, nicht zuletzt Ihrer hübschen Haare wegen. Richten Sie’s irgendwie, irgendwann ein, mit mir zu frühstücken.
Er spürte einen Kloß im Hals, als er die Zeilen zum wiederholten Male las, die die trügerische, vielleicht fatale Hoffnung nährten, daß es doch noch jemanden gab, der gern mit ihm zusammen war, jemanden, der ihn weder zu kaufen, zu töten noch zu mißbrauchen versuchte – oder von Tabini beauftragt war, ihn zu beschützen.
Er reichte Tano den Zylinder und sagte: »Nadi, bitte teilen Sie der Aiji-Mutter mit, daß ich mich sehr über die Einladung freue und ihr möglichst bald nachzukommen gedenke. Und sagen Sie ihr, daß ich ihre Schmeicheleien zu schätzen weiß. Lassen Sie ihr bitte auch ein glückbringendes Blumenarrangement zukommen.«
Tano würde sicherlich über die eine oder andere Wendung zu grübeln haben. Sei’s drum, Bren beeilte sich, ins Schlafzimmer zu kommen. Er war schon in der Tür, als ihm einfiel, daß er ganz vergessen hatte, sich in angemessener Form bei Banichi abzumelden. Statt dessen hatte er ihm einfach den Rücken zugekehrt. Nicht nett, aber wohl verzeihlich. Banichi würde jetzt bestimmt mit Tano und Algini einiges zu bereden haben, vielleicht auch eine Tasse Tee trinken mit Leuten, von denen er sich nicht gefallen lassen mußte, mit unbeantwortbaren Fragen traktiert zu werden.
Immerhin, Banichi war wieder da. Dafür fehlte jetzt Jago, es sei denn, sie war tatsächlich auf ihrem Zimmer und schlief.
Möglich, daß sie sich den Wachdienst aufgeteilt hatten, dachte Bren. Jedenfalls würden sie ihn nicht aus den Augen lassen. Darauf konnte er Gift nehmen.
Er hatte Hanks wütend gemacht. Vielleicht nahm sie ja seine Entschuldigung an, wenn nicht – auch egal. Er war zu müde, um länger darüber nachzudenken.
Er zog die Kleider aus, wobei ihm ein halbes Dutzend spröder Dienerinnen zur Hand ging, legte ein paar Kissen zurecht und nistete sich darin ein, so, daß auch die Schmerzen im Arm zur Ruhe kommen konnten. Zufällig fiel sein Blick auf die gegenüberliegende Wand und er sah, daß der gewünschte Fernseher gebracht worden war. Und auf dem Nachttisch lag neben dem Glas Wasser, um das er gebeten hatte, griffbereit eine Fernbedienung. Doch dafür hatte er jetzt keine Verwendung. Er wollte die Augen schließen, die Gedanken wegtrudeln lassen, im Schlaf versinken. Ruf mich bitte an, hatte Barb geschrieben.
Verflucht. Ruf an. Ja, das wäre wohl das mindeste gewesen, ihn anzurufen, als er im Krankenhaus gelegen hatte. Aber da war sie wahrscheinlich schon auf Hochzeitsreise gewesen.
Er konnte ihr verzeihen, alles, nur nicht dieses »Ruf mich bitte an«. Das war ihr Standardspruch, den sie bei Streitereien immer parat hatte. Warum
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